Der Taubenplatz in Sarajevo, Hauptstadt des bedrohten Bosnien-Herzegowina.

Foto: EPA / Fehim Demir

Bei dem Treffen von Vertretern der sechs Nicht-EU-Staaten auf dem Balkan mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ging es am Montag vor allem darum, Geld für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben in Albanien zu beschaffen. Die albanische Regierung schätzt die Kosten auf über eine Milliarde Euro.

Es war auch das erste Zusammenkommen nach der Veröffentlichung der neuen EU-Erweiterungsstrategie, bei der auf die Wünsche Frankreichs eingegangen wurde. Paris hatte zuletzt den Erweiterungsprozess zwischen südosteuropäischen Staaten und der EU zum Stillstand gebracht, indem es trotz des Erreichens aller Vorgaben ein Veto dagegen einlegte, dass Nordmazedonien und Albanien zu verhandeln beginnen können. Diplomaten zufolge dürfte Paris nun beim EU-Rat grünes Licht geben.

Die Verhandlungen sollen für die beiden Staaten nicht nach Kapiteln des Gemeinschaftsrechts, sondern nach sechs thematischen Blöcken geführt werden. Im Rahmen des Beitrittsprozesses soll es auch möglich sein, dass die Staaten an verschiedenen Gemeinschaftspolitiken teilnehmen, ohne Vollmitglied zu werden. Eine Erweiterung ist ohnehin nicht in Aussicht, weil Montenegro und Serbien nicht die notwendigen Reformen – vor allem die Herstellung von Rechtsstaatlichkeit – durchführen. Es fehlt am politischen Willen: Eine autoritäre Regierungsführung, Nationalismus und Illiberalismus dominieren die Politiken.

Angriff auf das Verfassungsgericht

Der extreme Nationalist Milorad Dodik, der zum dreiköpfigen Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina gehört, droht nun sogar damit, heuer ein Referendum abhalten zu lassen, bei dem über die Abspaltung des bosnischen Landesteils Republika Srpska und damit über die Zerstörung des Staates abgestimmt werden soll. Dodik, Chef der extrem rechten SNSD, verfolgt seit vielen Jahren dieses Ziel der Sezession, das bereits von rassistischen Nationalisten in den 1990er-Jahren angestrebt wurde und zu Krieg und Massenmord geführt hatte.

Auslöser der neuerlichen Drohung von Dodik war eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, wonach Agrarland, das früher dem jugoslawischen Staat gehörte, nun Bosnien-Herzegowina gehören soll und nicht – wie es Dodik wünschte – dem Landesteil Republika Srpska. Die Nationalisten boykottieren nun sämtliche Entscheidungen in den politischen Institutionen.

Westliche Mächte wie die USA, Großbritannien und Deutschland bezeichneten die Maßnahmen der Nationalisten als inakzeptabel. Doch selbst innerhalb der EU gibt es Staaten – die Visegrád-Gruppe und Griechenland –, die die Balkan-Nationalisten unterstützen. Eine Abspaltung der Republika Srpska ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen und widerspricht dem Friedensvertrag von Dayton. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 17.2.2020)