Ein Latexkleid, weiß, hauteng über der muskulösen Brust sitzend, dazu ein Tattoo auf dem Rücken: Im vergangenen Jahr führte Conchita Wurst vor, dass für eine eigenwillige Interpretation des Opernball-Dresscodes durchaus Platz ist. Nur ein paar FPÖ-Politiker wollten sich nicht mit Tom Neuwirths "Weißwurstkostüm" abfinden – als ob Frack und "bodenlang" auf dem glamourösesten Teppich Österreichs vor Fehltritten bewahrten!
In diesem Jahr aber dürfte, toi, toi, toi, nicht allzu viel schiefgehen. Das heurige Motto des Opernballs ("Die Königin der Nacht") kommt immerhin einer Verheißung gleich: Einmal im Leben die modische Hoheit innehaben, träumt davon nicht jeder weibliche Ballgast?
Die Moderatorinnen des ORF geben sich jedenfalls alle Mühe, mit gutem Beispiel voranzugehen. Sie mimen in ihren schimmernden Roben die "drei Engel für den öffentlichen Rundfunk": Teresa Vogl bestreitet ihr Opernballdebüt in französischer Spitze der Wiener Designerin Anelia Peschev, Kristina Inhof tritt in einem Mermaid-Kleid von Erika Suess auf, und Mirjam Weichselbraun-Mawson wird mit ihrem goldenen Kleid von Susie Caves Label The Vampire's Wife ihr internationales Format unterstreichen.
Auch Alfons Haider legt sich modisch ins Zeug – mit dem Modell "Slimline" des Wiener Unternehmens Frack & Co. Karl Lagerfeld, der sich um die Jahrtausendwende mit seiner "3-D-Diät" in die Dior-Anzüge des Designers Hedi Slimane hungerte, hätte sicherlich seine helle Freude an der österreichischen Auslegung der Slim-Fit-Silhouette gehabt.
Und die Opernball-Organisatorin Maria Großbauer? Sie will den unzähligen Königinnen auf dem Red Carpet im Jahr ihres Abschieds in nichts nachstehen. Das Kleid der Superlative des vergangenen Jahres (15 Lagen Tüll, 1.400 applizierte Blüten, zehn Stunden Handarbeit, hergestellt im Atelier von Lena Hoschek) muss schließlich getoppt werden.
Großbauer wird erst in einem Kleid auftreten und sich dann kurz vor Mitternacht mit einem Saxofon-Ständchen in einem Frack verabschieden – Zeit wurde es! Auch wenn die Café-Korb-Inhaberin Susanne Widl ihren Auftritt in Schwarz-Weiß schon vor zwanzig Jahren um einiges konsequenter angegangen ist: Sie verstand ihren Anzug als emanzipatorisches Statement.
Richard Lugner hat übrigens mit dem Chaos um seinen diesjährigen Opernball-Stargast (nach langem Hin und Her lässt sich Ornella Muti einladen, ein Kleid bringt sie mit) wahrscheinlich einfach nur gekonnt von seinem eigenen Aufzug abgelenkt: Der Baumeister muss sich diesmal Frack, Lackschuhe und Zylinder neu besorgen.
Das Outfit des Vorjahres trägt nämlich jemand anders: Sein wächsernes Ebenbild bei Madame Tussauds im Wiener Prater. (Anne Feldkamp, 20.2.2020)