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Sonderwünsche der Gäste erfüllen, das ist nicht immer einfach, doch immer häufiger nötig.

Collage: Hedi Lusser; Bilder: NYPL Digital Collection, Getty

Gern besuchen sie das Restaurant, heißt es von einem Ehepaar, das seinen Hochzeitstag im Restaurant feiern möchte. Aber leider müsse der Koch ohne Folgendes auskommen: Jakobsmuscheln, Weizen, Milch, Butter, Erdnüsse und Cashewnüsse. Darüber hinaus werde freiwillig auf Fleisch verzichtet. Nachrichten wie diese, wobei die Auswahl an Produkten variiert, sind in der Gastronomie inzwischen fester Bestandteil des Alltags.

"Es ist unser Job, jeden Menschen, der zu uns ins Restaurant kommt, durch gutes Essen glücklich zu machen", sagte Josep "Pitu" Roca auf dem Gastronomiekongress Madrid Fusión im vergangenen Jänner. Das gilt auch für Allergiker, Menschen mit Intoleranzen oder jene, die sich aus anderen Gründen dazu entschlossen haben, auf bestimmte Produkte zu verzichten.

Das Restaurant, das Pitu Roca mit seinen Brüdern Joan und Jordi in Girona nahe Barcelona betreibt, gilt als eines der besten der Welt, Pitu Roca als einer der besten Maîtres und Sommeliers der Gegenwart. Der steigenden Anzahl an Allergien und Intoleranzen, die er im Restaurant beobachte, gelte es mit Demut und Respekt zu begegnen und nicht mit Ärger über die Gäste, die nichts für ihre Intoleranzen können. "Kochen ist Lieben, und Service ist Aufpassen", sagt der Maître und fügt hinzu, dass jeder das Recht auf ein gutes Essen habe.

Fächer an Alternativen

Je früher, die Köche über Unverträglichkeiten der Gäste wissen, desto besser.
Foto: epa/kai Foersterling

Wie sehr Intoleranzen und Allergien den Restaurantalltag prägen, zeigen Pitu Roca und sein Team anhand einer Ministudie, die sie in den letzten 15 Dezembertagen 2019 durchgeführt haben. Demnach gaben 5,79 Prozent der Gäste in diesen 15 Tagen an, bestimmte Produkte nicht essen zu dürfen. Das waren 23,11 Prozent, also gut ein Viertel aller Tische, bei denen es in diesem Zeitraum eine Art von Sonderwunsch zu berücksichtigen galt.

In den professionellen Sphären, in denen sich ein Restaurant wie der Celler de can Roca in Girona bewegt, steht hinter jeder Art von Intoleranz ein Fächer an Alternativen, die statt des Ursprungsgerichts im Menü angeboten werden. Anstelle von "Ajoblanco (traditionelle spanische Suppe, Anm.) mit Seehecht", die Mandeln enthält, gibt es für Nussallergiker eine "Blume von der Zwiebel mit Comté-Käse", und für diejenigen, die allergisch auf Meeresfrüchte reagieren, ersetzt die Küche die Makrele mit schwarzem Knoblauch. Damit ist das Gericht auch vegetarisch.

Ganz ohne Gluten kommt das "Stanitzel aus eingelegtem Gemüse mit Zwetschke" aus. "Allergien sind unsere neue Realität. Diese zu verleugnen ist unprofessionell", so der Maître. Er wisse, dass nicht alle wirklich allergisch seien, aber das sei unwichtig. Heutzutage gehe es darum, kreativ zu sein, aber unter dem Deckmantel der Gesundheit. Für ihn ist Empathie der eigentliche Gradmesser in der Gastronomie, und dazu gehöre es, gerade diese Menschen, die vielleicht schon Angst davor haben, auswärts zu essen, glücklich zu machen.

Allergie in den Alpen

Auf dem Berg, da, wo das Restaurant "Rote Wand Chef’s Table im Schualhus" in Lech am Arlberg zu Hause ist, steht der Badener Max Natmessnig der Küche vor. Er sieht die Thematik ähnlich: "In den zwölf Jahren, in denen ich von den Niederlanden bis nach New York in der Küche stehe, sind wir immer zu 100 Prozent auf die Gäste eingegangen", sagt der 31-Jährige.

Die Köche und Gastronomen seien dabei immer besser auf Spezialwünsche vorbereitet. Vegetarier, Pescetarier, Laktoseintoleranz und Glutenunverträglichkeit, also das Nichtvertragen von Weizenmehl, handhaben Natmessnig und sein Team ohne Probleme. Ebenso wie die strenge Abtrennung der Arbeitsbereiche, um Kontamination mit Nuss- oder Weizenmehlspuren zu vermeiden.

Entscheidend sei, wie im Celler de Can Roca auch, der Zeitpunkt, an dem der Gast seine Allergie mitteilt. "Wenn er uns schon bei der Reservierung Bescheid gibt, können wir uns vorbereiten", sagt Natmessnig, "und dementsprechend Alternativen auf Augenhöhe mit Fleischgerichten anbieten." So wie zum Beispiel "Geräucherte Pilze mit sautiertem Pilzsud und Buchweizen".

An Umami ist Pilz schwer zu toppen und somit einem kräftigen Fleischgericht, das ebenfalls durch Umami punktet, ebenbürtig oder sogar überlegen. Umami ist der fünfte Geschmackssinn, der als "geschmackvoll" übersetzt wird und gemeinhin in kräftigen Gerichten, oft in Kombination mit Fleisch, vertreten ist.

Auch Natmessnigs vegetarischer Alternative "Gefüllte Kohlsprossen mit Buttermilch, Schnittlauch-Vinaigrette und Salzzitrone" sind Umami-Überlegungen vorausgegangen. "Kohl liefert Umami", sagt der Chefkoch.

Nimmt er ein Gericht aus dem Menü, das mit Umami punktet, heißt es, dieses durch eines zu ersetzen, das dem dramaturgischen Bogen eines Menüs ebenso entspricht. Pro Tag gebe es mindestens eine Bestellung, bei der sie auf Alternativen zurückgreifen müssten, sagt der Küchenchef.

Auch Kohlsprossen liefern Umami.
Foto: Petra Eder

Auf den Magen schlagen

"Die Menschen,die mit Verdauungsbeschwerden zu uns kommen, werden mehr", bestätigt Fritz Horak, medizinischer Leiter des Allergiezentrums Wien West. Nicht immer handle es sich um Allergien, was gut sei, denn diese können bis zum lebensgefährlichen allergischen Schock führen, wenn ein Betroffener zum Beispiel mit dem Allergen Erdnuss oder Cashewnuss in Berührung kommt.

Aber Intoleranzen rufen Unwohlsein, Durchfälle oder einen Blähbauch hervor. Um diese zu umgehen, muss man genauso auf jene Lebensmittel verzichten, die diese verursachen. Für Restaurantbesuche spricht Horak eine Empfehlung aus: "Schon bei der Reservierung auf die Allergie hinweisen, aber auch im Lokal immer wieder nachfragen und in Service und Küche Bescheid geben."

Denn auch wenn das mit der Kennzeichnung der Allergene recht gut funktioniere, gerade im Lokal ums Eck denkt man vielleicht nicht an die Milchreste am Aufschäumer, die bei Kuhmilchallergikern drastische Auswirkungen haben. Auch wenn man mit Mandelmilch arbeitet.

Auch Pitu Roca meint zum Abschluss: "Wir sind, was wir essen, die Veränderung unserer Lebensmittel betrifft alle. Es obliegt uns im Restaurant zu zeigen, wie man mit dieser Herausforderung umgeht." (Nina Wessely, RONDO, 8.3.2020)