Nachdem die USA und China im Handelskonflikt vorerst die Waffen niedergelegt haben, richtet US-Präsident Donald Trump sein Augenmerk auf die Europäer. Ob Autoimporte, Steuern auf Digitalkonzerne oder Handelsüberschüsse: Dass Trump den Welthandel nur dann für fair hält, wenn er Amerika "great" macht, ist kein Geheimnis. Im Weißen Haus ärgert man sich etwa darüber, dass die EU mehr in die USA exportiert als umgekehrt. Europa behandle die USA "sehr schlecht", klagte Trump Anfang vergangener Woche einmal mehr. "Die Europäische Union wurde wirklich geschaffen, um uns schlecht zu behandeln", sagte der US-Präsident.

So viel zu Trumps Sicht der Dinge. Angebracht wäre wohl auch ein "Danke schön!" in Richtung Europa, nicht immer bloß neue Beschwerden. Denn wenn sich der launische Staatschef jenseits des Atlantiks über europäische Handelsüberschüsse echauffiert, unterschlägt er, dass Europa einen guten Teil des amerikanischen Haushalts finanziert. Die EU ist nämlich seit einigen Jahren der größte ausländische Gläubiger Washingtons. Neuerdings hält sogar die Eurozone allein mehr US-Staatsanleihen als China, das lange Zeit der größte Kreditgeber Washingtons war.

Irland und Luxemburg ...

Die Euroländer halten, Stand November 2019, US Treasury Bonds im Wert von 1121 Milliarden Dollar. Auf den japanischen und weltweit zweitgrößten Schatz an US-Anleihen fehlen der Eurozone nur noch rund 40 Milliarden Dollar.

Mit einfachen Worten: Das amerikanische Finanzministerium schuldet Europa sehr viel Geld. Tendenz steigend. Aber kann die EU diese Position nützen, wenn Trump das nächste Mal mit der Zollkeule gen Brüssel fuchtelt?

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Kaufen Sie! US-Staatsanleihen sind in der EU Verkaufsschlager. Selbst ohne Anteil der Briten sind die Europäer Washingtons größte Auslandsgläubiger.
Getty Images/Illustration: Beigelbeck

Was auf den ersten Blick wie eine scharfe Munition im wirtschaftspolitischen Arsenal Europas aussieht, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als relativ zahnlos. Denn nicht die öffentliche Hand, sondern Unternehmen sind die europäischen Gläubiger Washingtons. Das zeigt ein Blick in die Statistik, die Irland und Luxemburg als die Euroländer mit den größten Forderungen an den amerikanischen Staat ausweist. Viele Fonds und Firmen sitzen in den beiden europäischen Steuerparadiesen und investieren ihr Vermögen zum Teil in den US-Haushalt. Die Grüne Insel ist etwa ein beliebter Europa-Sitz von US-Konzernen. Diese investieren die Überschüsse aus ihrem Europa-Geschäft oft in US-Bonds.

Anders als etwa China kann die EU deshalb auch nicht mit Käuferstreik drohen und damit Washington unter Druck setzen, neue Financiers der eigenen Staatsschuld zu finden. Und ein Massenverkauf von US-Titeln liegt genauso wenig im Handlungsspielraum der europäischen Institutionen, käme aber ohnehin einem Schuss ins eigene Knie gleich – die Preise der Titel sinken, wenn der Markt damit überflutet wird.

Grafik: STANDRAD

Dass besonders im Euroraum in den vergangenen Jahren ein Schatz an US-Anleihen angehäuft wurde, hat vor allem einen Grund: die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit dauerhaft niedrigen Zinsen haben die Frankfurter Währungshüter Liquidität geschaffen, aber zugleich die Renditen sicherer Euro-Geldanlagen gedrückt. 2011, ein Höhepunkt der europäischen Staatsschuldenkrise, standen lediglich US-Anleihen mit einem Gegenwert von 502 Milliarden Dollar in den Büchern euroländischer Investoren. Die EZB unter Ex-Gouverneur Mario Draghi tat "whatever it takes" und half strauchelnden Eurostaaten mit Anleihenkäufen. Sie hat den Markt für Staatsanleihen quasi leergekauft, wie Richard Grieveson vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) erklärt: "Amerikanische Staatsanleihen sind heute die einzigen Anleihen einer entwickelten Ökonomie, die eine positive Rendite abwerfen."

... häufen US-Anleihen an

Wenn in Europa jemand das US-Finanzministerium unter Druck setzen kann, ist das die EZB. Diese wird sich aber kaum für transatlantische Sticheleien im Handelsstreit einspannen lassen und Renditen auf europäische Staatsanleihen nach oben drücken, nur um Brüssel zu helfen. "Die EZB finanziert nicht die amerikanische Schuld, sie folgt ihrem Mandat, ihr Inflationsziel zu erreichen", stellt Grieveson klar. Allerdings hat die neue EZB-Gouverneurin unlängst angeregt, das EZB-Mandat zu überarbeiten.

Dass US-Staatsanleihen trotz der Folgen der Lehman-Pleite, die die riesigen Risiken im amerikanischen Finanzsektor offenbart haben, und angesichts des flatterhaften US-Präsidenten Trump so gefragt sind, bedeutet für den WIIW-Ökonomen vor allem eines: Der Dollar und die amerikanische Wirtschaft genießen ungebrochenes Vertrauen. Das sei besonders erstaunlich, da sich eine Weltwährung in der Regel durch Sicherheit und Stabilität hervortut. Wenn Lehman und Trump das Vertrauen in den Dollar nicht unterminieren, wird dieser noch lange die Weltwährung bleiben, prophezeit Grieveson.(Aloysius Widmann, 19.2.2020)