Verteidiger Werner Tomanek (links) polarisiert – auch bei Anklagebehörden.

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Wien – Werner Tomanek ist laut Eigendefinition ein Ottakringer Gemeindebaukind, das es zum Anwalt und Verteidiger gebracht hat. Mit seiner vorstädtischen Herkunft kokettiert er in seinem beruflichen Alltag durchaus. Besonders wenn er sich an Laienrichter wendet, findet er in seinen Plädoyers klare Worte. Einige von diesen haben ihm nun eine Disziplinaranzeige bei der Standesvertretung eingebracht – erstattet von der Staatsanwaltschaft Korneuburg.

Am 7. Juni 2019 langte das Schreiben bei der Rechtsanwaltskammer Wien ein. Karl Schober, Leiter der Korneuburger Anklagebehörde, prangert darin Tomaneks Wortwahl in einem im Jahr 2017 begonnenen Betrugsprozess an. Als Beleg wird auch ein STANDARD-Artikel angeführt, in dem zu lesen ist, dass der Verteidiger in seinem Eröffnungsplädoyer die Anklage gegen seine Mandanten als "Frechheit" und "infam" bezeichnet.

Verweis auf den Duden

Durchaus korrekt verweist Schober in seinem Brief auf den Duden, wonach "infam" die Bedeutung "bösartig und jemandem auf durchtriebene, schändliche Weise schadend" habe. Allerdings: Als umgangssprachliche Bedeutung findet sich dort auch "in beeinträchtigender, schädigender Weise stark".

Darüber hinaus stört die Staatsanwaltschaft auch, dass Tomanek über "korrupte oder windige Anwälte" hergezogen ist. Der Hintergrund: Ein Berufskollege agierte in dem Fall im Auftrag der Polizei. Schober ersucht die Rechtsanwaltskammer daher "um eine allfällige Überprüfung disziplinarrechtlichen Vorgehens". Gegen Tomanek, nicht den Verbündeten der Polizei.

Angezeigter sieht Wahrheitsbeweis erbracht

Der Angezeigte reagierte in seiner Äußerung an die Kammer recht kühl. Er habe "die Grenzen zulässiger Verteidigung nicht überschritten", ist er überzeugt. Darüber hinaus habe er auch keine "unsachliche Kritik an der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft Korneuburg" geübt, da die ja in der Anzeige selbst zugestehe, dass ein Anwalt als Polizeiagent agiert habe, womit der Wahrheitsbeweis erbracht worden sei.

Auf die STANDARD-Anfrage, ob es üblich sei, dass Staatsanwaltschaften Jahre nach der Äußerung Verteidiger anzeigen, sagt Schober, dass es "gewisse Umgangsformen und ungeschriebene Spielregeln gibt. Wenn wir der Meinung sind, dass diese Umgangsformen nicht gewahrt werden, wird es zur Anzeige gebracht."

Vage Datenlage

Wie oft Anklagebehörden Rechtsvertreter disziplinarrechtlich anzeigen, ist nicht einfach zu eruieren. Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, hat keine Zahlen, da darüber keine Statistik geführt werde. Ihr sei aber aus persönlicher Wahrnehmung kein Fall in Erinnerung. Auch beim Österreichischen Rechtsanwaltskammertag gibt es keine Daten dazu, bedauert Sprecher Bernhard Hruschka. Die Rechtsanwaltskammer Wien, in der rund die Hälfte der heimischen Anwaltschaft organisiert ist, kann ebenso wenig weiterhelfen. "Es gibt keine Auswertung, wer aus welchen Gründen Anzeigen erstattet", sagt Pressesprecherin Julia Kent.

Abgeschlossen ist das Disziplinarverfahren gegen Tomanek noch nicht, im Falle eines Schuldspruchs würde ihm wohl eine Geldstrafe drohen. Die Gerichte haben sich seiner Kritik dagegen zumindest inhaltlich angeschlossen: Tomaneks Mandanten sind mittlerweile rechtskräftig freigesprochen. (Michael Möseneder, 19.2.2020)