Nur die Kraft und die Zärtlichkeit der Mutter Maria? Im Gastkommentar ist das von Papst Franziskus formulierte Frauenbild für die Theologin Gunda Werner "nicht nur nicht mehr vermittelbar, sondern auch angesichts der katastrophalen Situation im Amazonasgebiet fatal".

Die Amazonas-Synode hätte frische Luft in die Kirche bringen können – letztlich entschied sich der Papst dagegen.
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Ein gutes Leben für alle, soziale und ökologische Gerechtigkeit, die Anerkennung der Kulturen und die Rettung der Natur: Es ist eine hoffnungsvolle Vision, die sich Papst Franziskus in seinem nachsynodalen Schreiben "Querida Amazonia" ("Geliebtes Amazonien") entwirft. In den ersten drei Kapiteln seiner Zusammenschau der Amazonassynode entspricht der Pontifex über weite Strecken – und mit der gebotenen christlichen Pointierung – den Forderungen ökologischer, christlicher und gesellschaftspolitischer Gruppen in Lateinamerika. Im vierten Kapitel "Eine kirchliche Vision" hingegen nimmt er nicht nur Ergebnisse der Synode nicht auf, sondern zerstört zugleich die Hoffnungen vieler Menschen auf eine Veränderung und Bewegung innerhalb der katholischen Kirche.

Die im Abschlussdokument der Synode von der Mehrheit der Bischöfe unterstützte Priesterweihe verheirateter Männer ("Viri probati") erwähnt der Papst mit keinem Wort, der Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern erteilt er eine zwar langwierig formulierte, aber dadurch nicht weniger klare Absage. Das mag frustrieren, sollte aber nicht verwundern, entspricht es doch der kirchlichen Lehre. Mindestens verwundern dürfen dann allerdings doch einige Argumentationslinien dieses vierten Kapitels. Schließlich ist ebenjener Papst, der darin für die "entschlossene Verteidigung der Menschenrechte" eintritt, Staatsoberhaupt eines der wenigen Länder, die die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen bis heute nicht unterschrieben haben.

"Besondere" Würde

Außerdem: Würde der Vatikan wirklich entschlossen für die Rechte aller Menschen eintreten, könnte Franziskus nicht so ungebrochen eine "Theologie der Frau" vertreten, wie er es in seinem nachsynodalen Schreiben tut. Demnach leisten Frauen nämlich "ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben". Gott selber sei es, der "seine Macht und seine Liebe in zwei menschlichen Gesichtern kundtun" wolle, nämlich dem männlichen des göttlichen Sohnes und dem weiblichen der Mutter Maria.

In dieser Logik verwundert es nicht, dass Frauen vor allem deshalb nicht zu Weiheämtern zugelassen werden sollen, um sie vor Klerikalismus und Funktionalisierung zu bewahren. Und auch die Kirche selbst würde nach Ansicht des Papstes durch die Frauenweihe verarmen, weil der spezifische Beitrag der Frauen dann nämlich fehlte. Mit dieser Hervorhebung der besonderen Würde und Aufgabe der Frauen im Vorbild Marias, der zugleich eine Idealisierung des Priesterbildes als "Zeichen des Hauptes, das die Gnade vor allem im Feiern der Eucharistie ausgießt", gegenübergestellt wird, führt Franziskus eine Theologie fort, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert hat. Eine Theologie, die Frauen durch ihre Beschränkung auf das empfangende, dienende, passive "marianische" Prinzip gegenüber dem aktiven, gebenden, männlichen, in der Tradition Christi stehenden "petrinischen" Prinzip marginalisiert und lehramtlich legitimiert, dass Frauen in der katholischen Kirche zwar die gleiche Würde, aber eben nicht die gleichen Rechte haben wie Männer. Es ist daher ausgesprochen irreführend, nach außen für die allgemeinen Menschenrechte einzutreten, nach innen aber eine "Struktur der Kirche" zu perpetuieren, die von einer ungleichen Behandlung der Geschlechter ausgehen muss.

Fatales Frauenbild

Auch einem der allgemein anerkannten Grundsätze der Entwicklungspolitik, dem zufolge das weltweite Armutsproblem untrennbar mit der ungerechten Verteilung der Güter und der strukturellen Benachteiligung von Frauen zusammenhängt, erteilt der Papst mit seinem Beharren auf dem marianischen und petrinischen Prinzip – und damit der Nichtgleichstellung der Frauen – eine klare Absage. Denn dass die Genderfrage kein Luxusproblem der reichen Länder, sondern Dreh- und Angelpunkt der weltweiten Armutsbekämpfung ist, erkannten und benannten bereits die UN-Konferenz für Entwicklung und Bevölkerungswachstum in Kairo 1994 und die UN-Frauenkonferenz in Peking 1995. Bereits damals hat der Vatikan beide Konferenzen aufs Schärfste kritisiert, weil die dort geforderte Gleichberechtigung der Frau eben eine wirkliche Gleichberechtigung bedeutet hätte.

Heute, ein Vierteljahrhundert nach diesen Konferenzen, ist das von Franziskus formulierte Frauenbild nicht nur nicht mehr vermittelbar, sondern auch angesichts der katastrophalen Situation im Amazonasgebiet fatal. Die Frauenfrage ist eben keine allein binnenkirchliche Frage einer von Gott gewollten inneren Struktur der Kirche, und daher ist doch zu befürchten, dass das päpstliche Schreiben vor allem jenen Kräften Vorschub leistet, die der Gleichberechtigung der Geschlechter den Kampf angesagt haben. Ob jedoch gerade diese Kräfte willens und fähig sind, dem Papst bei der Verwirklichung seiner Vision von ökologischer und sozialer Gerechtigkeit für sein "geliebtes Amazonien" zur Seite zu stehen, darf zumindest bezweifelt werden. (Gunda Werner, 19.2.2020)