Bei Amazon sind am Dienstag Beamte der Finanzpolizei vorstellig geworden. Die Behörde filzte das Verteilzentrum Großebersdorf bei Wien. Im Visier stand aber nicht der Onlineriese, sondern Subfirmen, die für Amazon Pakete zustellen. Die Finanzpolizei vermutet "gewerbsmäßige Schwarzarbeit".
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Arbeiterkammer-Wien-Direktor Christoph Klein nützt die Razzia bei Amazon-Subunternehmern im Paketzentrum Großebersdorf in Niederösterreich für einen Vorstoß. Um massenhafte Verstöße gegen Lohn- und Sozialdumping stärker bestrafen zu können, appelliert die Arbeiterkammer an Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP), das Lohn- und Sozialdumpinggesetz zu überarbeiten – mit der notwendigen Schärfe bei systematischem Lohndumping und Milderungsklauseln bei geringen Verstößen.

STANDARD: Die Finanzpolizei hat die Zulieferer des Amazon-Paketzentrums in Großebersdorf gefilzt und schlappe 185.000 Euro einkassiert, weil es bei 50 Mitarbeitern arbeitsrechtliche Beanstandungen und eine Scheinfirma gab. Hilft die Republik damit primär ihrer teilstaatlichen Post gegen die Konkurrenz?

Klein: Die Finanz hilft damit allen gerecht handelnden Unternehmen – darunter hoffentlich auch die Post – und deren Mitarbeitern. Denn das Unterbieten der Kollektivvertragslöhne und die Abgabenhinterziehung ruinieren die Bedingungen für die Arbeitnehmer und sind Schmutzkonkurrenz für alle korrekt arbeitenden Betriebe, die die Löhne und Abgaben ordnungsgemäß bezahlen.

STANDARD: Eine Razzia bei einem klingenden Namen wie Amazon riecht schwer nach Aktionismus. Es gibt nicht nur in der Transportbranche genügend Negativbeispiele ...

Klein: Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, gegen Lohndumping auch unter dem Deckmantel großer Namen vorzugehen. Wenn Amazon-Subunternehmen Mitarbeiter zu absoluten Dumpingbedingungen einsetzen, dann ist das zum Nachteil aller, die korrekt agieren. Der Fall zeigt aber auch, wie dringend notwendig es ist, das Lohn- und Sozialdumpinggesetz wieder voll fit zu machen.

Zwei Tage nach der Großrazzia im Amazon-Verteilzentrum in Großebersdorf bei Wien hat die Regierung angekündigt, den Prüf- und Kontrollplan der Finanzpolizei für das erste Halbjahr anzupassen.
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STANDARD: Was ist an dem Gesetz sanierungsbedürftig?

Klein: Der Europäische Gerichtshof betrachtet das österreichische Kumulationsprinzip – das Vervielfachen einer Geldstrafe mit der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer – bei geringeren Verstößen als Beschränkung der Freizügigkeit ausländischer Arbeitgeber. Das Kumulationsprinzip sichert aber, dass Riesen à la Amazon die Strafe nicht aus der Portokasse zahlen und weiterdumpen. Ich appelliere daher an Bundesministerin Christine Aschbacher, rasch Gespräche mit den Sozialpartnern über die Reparatur des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes aufzunehmen. Denn es muss möglich sein, bei massenhaften und systematischen Verstößen mit vielen betroffenen Beschäftigten eine multiplizierte Strafe zu verhängen im Vergleich zu einem Kleinbetrieb, bei dem nur wenige Mitarbeiter vielleicht aus Versehen unterentlohnt wurden.

STANDARD: Wie kann eine solche Lösung aussehen? Der EuGH hat im Anlassfall des Anlagenbauers Andritz, wo die Mitarbeiter eines slowenischen Subunternehmers ihre Lohnunterlagen nicht dabeihatten, die horrende Strafe ausgehebelt.

Klein: 2017 hatten sich die Sozialpartner bereits auf Milderungsklauseln geeinigt für geringe Verstöße. Diese Sozialpartner-Einigung wurde dann aber nicht mehr umgesetzt, weil die Regierung zerbrochen ist. (Luise Ungerboeck, 19.2.2020)