Die Experten fordern eine neue globale Bewegung zum Schutz von Kindern.

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Am 20. August 2018 saß Greta Thunberg einsam vor dem schwedischen Parlament, statt in die Schule zu gehen. Mit dabei hatte sie ein Schild, auf dem "Skolstrejk för klimatet", "Schulstreik für das Klima", stand. Drei Wochen lang schwänzte das Mädchen Tag für Tag den Unterricht, Medien wurden auf sie aufmerksam, ihre Popularität nahm zu.

Während des Weltklimagipfels im polnischen Kattowitz im Dezember 2018 sprach die 15-Jährige: "Ihr sagt, ihr liebt eure Kinder über alles. Und trotzdem stehlt ihr ihnen vor ihren Augen die Zukunft." Diese Aussage war keineswegs überzogen, wie ein aktueller UN-Bericht zeigt. "Kein einziges Land schützt die Gesundheit von Kindern, ihre Umwelt und ihre Zukunft angemessen", ist die zentrale Botschaft einer internationalen Kommission von mehr als 40 Experten für Kinder- und Jugendgesundheit.

Der Bericht mit dem Titel "A Future for the World's Children?", der im Fachblatt "Lancet" veröffentlicht wurde, konstatiert, dass die Gesundheit und die Zukunft jedes Kindes weltweit unmittelbar bedroht sind – durch ökologische Zerstörung, Klimawandel und aggressive Marketingpraktiken, die Kindern stark verarbeitetes Fastfood, zuckerhaltige Getränke, Alkohol und Tabak schmackhaft machen.

Verheerende Folgen

"Trotz der Verbesserungen in der Gesundheit von Kindern während der vergangenen 20 Jahren sind die Fortschritte ins Stocken geraten und werden sich wieder rückläufig entwickeln", betont Helen Clark, ehemalige neuseeländische Premierministerin und Co-Vorsitzende der Kommission.

Das wohl größte Problem für die Zukunft der heranwachsenden Generation sei der Klimawandel: Dem Bericht zufolge würde eine globale Erwärmung um mehr als vier Grad Celsius bis zum Jahr 2100 verheerende gesundheitliche Folgen haben. Diese sind auf den Anstieg des Meeresspiegels, Hitzewellen, die Verbreitung von Krankheiten wie Malaria oder Denguefieber und auf Mangelernährung zurückzuführen.

Die Studienautoren betonen, dass Kinder in Norwegen, Südkorea und den Niederlanden die besten Überlebens- und Entwicklungschancen haben. In der Zentralafrikanischen Republik, dem Tschad, Somalia, dem Niger und Mali sind die Chancen auf ein gesundes Leben hingegen am geringsten. Österreich liegt in diesem Ranking auf Platz 19 von 180.

Gemessen an den CO2-Emissionen pro Kopf schneiden die hochentwickelten Länder allerdings schlecht ab. Die USA, Australien und Saudi-Arabien zählen zu den größten Klimasündern. Norwegen liegt hier auf Platz 156, die Niederlande auf Platz 160 und Südkorea auf Platz 166. Jedes der drei Länder emittiert 210 Prozent mehr CO2 pro Kopf, als im Emissionsziel für 2030 vorgesehen ist. Auch Österreich liegt im Nachhaltigkeitsranking mit Rang 149 relativ weit hinten.

Aggressives Marketing

Die einzigen Länder, die auf dem Weg sind, die CO2-Emissionsziele pro Kopf bis 2030 zu erfüllen, und gleichzeitig bei den Überlebens- und Entwicklungschancen für Kinder unter den ersten 70 liegen, sind Albanien, Armenien, Grenada, Jordanien, Moldau, Sri Lanka, Tunesien, Uruguay und Vietnam.

Der Bericht verweist auch auf die Problematik des aggressiven Marketings. Es gibt Belege dafür, dass Kinder in einigen Ländern allein im Fernsehen in einem einzigen Jahr bis zu 30.000 Werbespots sehen, die den Konsum von Junkfood, zuckerhaltigen Getränken und hochverarbeiteten Nahrungsmitteln fördern. So ist auch die Zahl der adipösen Kinder und Jugendlichen von elf Millionen im Jahr 1975 auf 124 Millionen im Jahr 2016 gestiegen. Das ist ein Anstieg um das Elffache.

Zum Schutz der Kinder fordert die Kommission eine neue globale Bewegung, die von und für Kinder angetrieben wird. Greta Thunberg macht demnach alles richtig. (Günther Brandstetter, 19.2.2020)