Brutaler Machterhalt gegen schwärmerischen Idealismus: Herzog Alba (Bo Skovhus) im Zwist mit Egmont (Edgaras Montvidas)

Monika Rittershaus

Wien – Idealist Egmont, es wird prompt ersichtlich, ist längst gefangen im Scheinwerferlicht einer diktatorischen Macht. Sein betrübliches Ende ist somit schon zu Beginn von Christian Josts und Christoph Klimkes (Libretto) Oper zu erahnen. Der Freiheitsfantast Egmont scheint am Ende seiner Reise angelangt, wirkt wie eine Skulptur aus Würde und Resignation. Was im Theater an der Wien folgt, sind also gewissermaßen traumartige Rückblenden auf eine Geschichte der verdampfenden politischen und privaten Hoffnungen.

Die Musik, die Jost zu seinem Egmont verfasst hat, befördert diese Tragik- und Traumassoziationen: Das RSO-Wien erschafft einen auratischen Klangraum, der das Geschehen atmosphärisch wie ein zweites Bühnenbild ummantelt. Natürlich keine platte Stimmungsmusik: Farbenreich pulsierend werden die Figuren vom Instrumentalen getragen und umspült.

Wellen aus Klang

Bisweilen wandelt sich das elegische Fließen zu repetitiven Gesten. Sie gemahnen an Minimal Music, allerdings nur flüchtig. Sie sind Rufzeichen innerhalb einer schwebenden Struktur, die mitunter auch durch stoßweise hereinschwappende Blechbläserwellen abgelöst wird. Es ist Musik, die kaum Atem holt und so für inneren Zusammenhalt der Oper sorgt.

Eine Besonderheit an dieser Beethoven-Reverenz ohne Beethovens Musik: Jost hält sich (so der Auftrag des Theaters an der Wien) an die Instrumentierung, die Beethoven für seine Schauspielmusik zu Goethes Trauerspiel Egmont zum Einsatz brachte. Eine Ausnahme bilden Marimbafon, Vibrafon, Harfe und Klavier.

An die Geliebte

In diesem Klangkontext betört der Chor (er haucht auch Zitate aus Beethovens "Brief an die unsterbliche Geliebte") mit madrigalhaften Feinheiten. Der formidable Schoenberg Chor wirkt dabei mitunter wie die innere Stimme der Figuren, die sich selbst zumeist in Kantilenen mitteilen, deren Charakter von langen Notenwerten geprägt wird. Das Vokale nimmt also gewissermaßen den instrumentalen Duktus auf, schwebt in ihm und wechselt selten ins Deklamatorische.

Zweifellos hängt die Qualität dieser Produktion auch mit den Regieideen zusammen, welche die Bewegung des Werks aufnehmen, dessen traumhafte Charakteristik. Keith Warner changiert behutsam zwischen Drastik und Poesie. Er zeichnet die Aspekte der Gewaltherrschaft und der Machtkälte, die Alba repräsentiert, in einer Folterszene deutlich.

Margarete begehrt

Auch der Mord an der flatterhaft ihr Begehren ausdrückenden Margarete (glänzend Angelika Kirchschlager) bildet einen Kontrast zu den oft intimen, surreal bebilderten Szenen. Warner bleibt vor allem in der Tonart des Behutsamen und Abstrakten. Gleichwohl sind seine Bilder bis ins Kleinste präzis entworfen.

Ob nun Alba (energisch Bo Skovhus) in einen Disput mit Egmont (solide Edgaras Montvidas) gerät, ob Clara (grandios im Lyrischen Maria Bengtsson) mit Egmont hadert oder versucht, Ferdinand (Theresa Kronthaler) auf ihre, also Egmonts Seite, zu ziehen: Immer sind Motivation und Wesen der Figuren zu spüren. Vielleicht etwas zu plakativ nur bei Macchiavell (intensiv Karloy Szemerwdy).

Tadellos das ORF-RSO-Wien unter Dirigent Michael Boder: Erzeugt wird quasi ein akustisches Energiefeld, der Sound hat Präsenz, Unmittelbarkeit und Ausgewogenheit und doch auch opulente, quasi sinnliche Reize. Es folge Applaus. (Ljubiša Tošic, 19.2.2020)