Was tun im Fall von Sumpfleichen? Anwar Kashlan (links) und Ronald Kuste müssen schnel handeln.

Unpop

Die Gesellschaft kann noch so vieles unter den Tisch kehren, unterdrücken oder verschweigen – in den Stücken von Ferdinand Schmalz kommt es wieder hoch. Meist hilft dabei die Natur, die sich entweder von oben herab mit einer gigantischen Mure gewaltsam in das zivile Leben einmischt (schlammland gewalt) oder von unten herauf das Moorwasser nach oben drückt, um mit Sprengkraft etwas heimlich Eingemauertes freizulegen. So geschieht es im Stück der herzerlfresser.

Das 2015 im Auftrag des Schauspielhauses Leipzig entstandene Drama wird derzeit in der Burgtheater-Fassung in Vorarlberg nachgespielt. Stephan Kasimir (Regie), Caroline Stark (Bühne) und Thomas Bechter (Licht- und Sounddesign) – zusammen haben sie die künstlerische Leitung des Ensembles für unpopuläre Freizeitgestaltung, kurz Unpop, inne – setzen seit der Gründung 2016 in Dornbirn nur handverlesene zeitgenössische Dramentexte auf den Spielplan.

Steirische Schauergeschichte

Begonnen wurde damals mit Wolfram Lotz’ vielschichtigem Stück Einige Nachrichten an das All. Es folgten die Österreich-Premiere von Anne Leppers Käthe Hermann,Das Knurren der Milchstraße des deutsch-koreanischen Dramatikers Bonn Park, Jelineks Wut und dazwischen nochmals zwei Texte des gefeierten Lotz, Lächerliche Finsternis und Der große Marsch.

In der herzerlfresser verarbeitet Ferdinand Schmalz, Meister des symbolhaften Schreibens, eine Schauergeschichte aus seiner steirischen Heimat: 1786 mutierte dort der Knecht Paul Reininger zum Kannibalen und verspeiste sieben Frauenherzen. Schmalz transferiert die historische Mordserie in ein kapitalistisches Kleinstadtsetting der Gegenwart, in der der Bürgermeister kurz vor der Eröffnung eines neu gebauten Einkaufscenters mit Sumpfleichen zu kämpfen hat. (Margarete Affenzeller, 19.2.2020)