Hagadol Ephraim Uba sieht viele Parallelen zu Israel.

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Nisach Bai Ephraim ist schüchtern. "Ich bin hier im Bundesstaat Imo verheiratet und habe ein Kind. Ich bin Anfang 30 und Hausfrau", erzählt sie langsam. In dem kleinen Raum neben der Synagoge von Owerri summt ein großer Ventilator, dessen Lärm ihre Stimme immer wieder verschluckt. Um die Mittagszeit ist die feuchtschwüle Luft im Südosten Nigerias fast unerträglich. Die junge Frau taut erst auf, als sie über ihren Glauben spricht. Wundervoll sei das Judentum: "Diese Religion ist die Wahrheit. Ich bin sehr stolz auf meinen Glauben."

Aufgewachsen ist Nisach Bai Ephraim im Nachbarbundesstaat Aba, wo sich die große Mehrheit zum Christentum bekennt. Schon als Kind kannte sie deshalb das Gefühl, anders zu sein, nicht sonntags in die Kirche zu gehen, keine Kommunions- oder Konfirmationsfeier zu haben. Ein Problem sei das jedoch nicht gewesen. "Alle wussten, dass ich Jüdin bin. Ich bin damit groß geworden."

In Nigeria ist das eine Ausnahme. Erst seit rund 30 Jahren entstehen vor allem im Südosten des 200-Millionen-Einwohner-Landes Synagogen. Die nördlichsten liegen in der Hauptstadt Abuja, ein paar sind zudem in der Millionenmetropole Lagos gebaut worden. Religion spielt im Land eine entscheidende Rolle, und Diskussionen, ob es mehr Christen oder mehr Muslime gibt, gehören zum Alltag und werden immer wieder politisch genutzt.

"Verlorener Stamm Israels"

Damit konnte Hagadol Ephraim Uba in den frühen 1980er-Jahren irgendwann nichts mehr anfangen. Bis er zum Judentum übertrat, war er selbst christlicher Prediger. Heute ist er Vorsitzender der Vereinigung des jüdischen Glaubens in Owerri. Dass sich immer mehr zum Judentum bekennen, sei jedoch kein Trend, sondern vielmehr eine Rückbesinnung. "Wir sind der verlorene Stamm Israels. Mose soll uns in das gelobte Land führen."

Wie viele Juden es in Nigeria gibt, ist nicht klar. Einige sprechen von 30.000, in jüdischen Kreisen fällt manchmal sogar die Zahl von drei Millionen. Vom israelischen Staat anerkannt sind sie jedoch nicht. Auf dem afrikanischen Kontinent sind das seit 1975 die Beta Israel aus Äthiopien. Auch in Südafrika gibt es jüdische Gemeinden. In Nigeria sowie Ghana, Kamerun und Ruanda warten viele Menschen vergeblich auf eine offizielle Anerkennung.

Wer kein Kind einer jüdischen Mutter ist, benötigt den Giur, den Übertritt. Dafür ist eine mehrjährige Vorbereitung mit anschließender Prüfung vor einem rabbinischen Gericht nötig. Auf Hebräisch zu beten und Gottesdienst am Samstag, dem Sabbat, zu feiern reicht nicht aus. Die Anerkennung schließt nämlich auch das Recht ein, nach Israel auszuwandern. Das macht das 1950 beschlossene Rückkehrergesetz möglich.

Hilfe aus den USA

Unterstützung kommt stattdessen aus den USA. So motiviert etwa die Organisation Kulanu mit Sitz in New York kleine jüdische Gemeinden weltweit. Sie hilft beim Aufbau von Netzwerken und verschafft weltweit Kontakte.

Dabei gibt es für Hagadol Ephraim Uba zahlreiche Parallelen zwischen Israel und dem Südosten Nigerias. "Israel wird von der Welt gehasst, genau wie wir." In der Synagoge von Owerri verbindet die Gemeindemitglieder noch etwas anderes: Sie sind alle Igbo. Mit 30 bis 40 Millionen Menschen ist das eine der größten ethnischen Gruppen des Landes, die schon während des Biafra-Krieges von 1967 bis 1970 für ihre Unabhängigkeit gekämpft hat.

Wählen am Sabbat

Bis heute ist der Traum vom eigenen Staat groß, denn von der nigerianischen Zentralregierung fühlen sich viele benachteiligt. Für die Juden von Owerri gilt das auch für die Religion. "Anders als Christen und Muslime bekommen wir keine Unterstützung vom Staat. Auch wird in Nigeria ausgerechnet am Sabbat, dem Samstag, gewählt", ärgert sich Hagadol Ephraim Uba. Jüdisch zu sein gilt deshalb auch als politische Aussage und vor allem als Kritik an der Regierung. (Katrin Gänsler aus Owerri, 20.2.2020)