Frauen aufgepasst: Lasst euch nicht zur Hampelfrau machen, ermahnte die Avantgarde-Künstlerin Brigitte Aloise Roth 1976 mit ihrer Fotografie.
Foto: Estate Brigitte Roth / Sammlung Verbund Wien

Eines Tages war Schluss", sagt Karin Mack über ihre schwarz-weiße Fotoserie Zerstörung einer Illusion. Mit Haarnadeln und Krautrouladenspießen durchbohrte die Künstlerin 1977 die Fotografie, auf der sich ein Frauengesicht an ein Einmachglas schmiegt. Mack wollte die Illusion eines perfekten Frauenbilds zerstören. "Erst nach meiner Scheidung konnte ich künstlerisch tätig sein", erinnert sich die 1940 in Wien geborene Künstlerin. Ihr Ehemann hätte lieber eine "Knödelköchin" gehabt – doch Mack rief den Tod der Hausfrau aus und ging einen anderen Weg.

Diesen schlugen auch andere österreichische Zeitgenossinnen ein. Von der Studentenbewegung der 1960er-Jahre ausgehend, begannen sich Künstlerinnen zu organisieren, sie emanzipierten sich zunehmend vom männerdominierten Kunstbetrieb und stellten die gesellschaftliche Konstruktion von Weiblichkeit infrage. Ihre Arbeiten galten als provokant und radikal, wurden teilweise verboten und sogar zerstört. Bis ihre Stimmen gehört wurden, dauerte es.

Von Befreiung und Wut

In einer großen Gruppenschau werden Werke von 16 österreichischen Künstlerinnen der feministischen Avantgarde nun erstmals gemeinsam ausgestellt. Zehn von ihnen sind sogar am Eröffnungstag in der Schau anwesend, die bekannteste ist Renate Bertlmann, die vergangenes Jahr als erste Frau den österreichischen Pavillon auf der Biennale in Venedig solo bespielt hat. Gemeinsam erinnern sich die Vorreiterinnen an eine Zeit, in der sie das noch gar nicht waren. Unter dem Titel Feministische Avantgarde. Made in Austria präsentiert die Sammlung Verbund Werke aus den 1970er-Jahren, die für die Bewegung in Österreich prägend waren.

Allen voran die Linzer Künstlerin VALIE EXPORT, die es mit ihren Aktionen wagte, das klassische Rollenverständnis der Frau infrage zu stellen. Nicht als Übermutter, sondern als Pionierin thront sie in Aktionshose: Genitalpanik mit gespreizten Beinen und ihrer durch das fehlende Stück Hose freigelegten Vulva auf einem Stuhl.

Keine "Frauenausstellung"

So markieren ihre Arbeiten nicht nur den Beginn der Ausstellung, sondern auch das Ende und umklammern die rund 80 gezeigten Werke in der Vertikalen Galerie. In Zeichnungen, Skulpturen und Videos werden entlang des siebenstöckigen Aufgangs der Verbund-Zentrale deformierte und nackte Frauenkörper, aber auch geballte Fäuste und ohnmächtige Blicke gezeigt – Befreiung und Wut liegen nah beieinander.

Als reine "Frauenausstellung" soll die Schau allerdings nicht verstanden werden, sagt Gabriele Schor, Leiterin der Firmensammlung Verbund. "Es ist eine Themenschau, in der es um die Werke geht, die feministische Kunst kommunizieren. Wir wollen nicht einfach nur zeigen, welche weiblichen Künstlerinnen wir haben."

Seit 16 Jahren widmet sich Schor als Gründungsdirektorin der Sammlung dem Thema feministische Avantgarde in den 1970er-Jahren. Was abseits des Mainstreams begann, wird nun in europäischen Kunsthäusern gezeigt. Schon 2017 stellte das Mumok in einer großen Schau Werke aus der Sammlung aus.

"Das Private ist politisch"

Mit ihrer jahrelangen Aufarbeitung prägte Schor den Begriff der feministischen Avantgarde maßgeblich und fordert – auch wenn er oft als Kampfbegriff verwendet wird – dessen Gleichstellung in der Kunstgeschichte. Davor sei der Begriff Avantgarde stets männlich konnotiert gewesen, doch Künstlerinnen besetzten ihn neu. Auch in Österreich.

Ganz nach dem Motto der zweiten Welle der Frauenbewegung – "Das Private ist politisch" – brachen sie mit ihrer Kunst Tabus und sprengten das häusliche Korsett. In Ich möchte hier raus! drückt sich Birgit Jürgenssen hilfesuchend gegen eine Glasscheibe, Bertlmann stellt das patriarchale Modell der Ehe als Lähmung dar, und Florentina Pakosta trennt in ihrer surrealistischen Zeichnung Der Ehering und seine Folgen der versinnbildlichten braven Ehefrau den Kopf ab.

Auch die Darstellung des weiblichen Körpers und die vorherrschenden Schönheitsideale werden in dieser wichtigen Schau kritisiert. So fragmentiert Ingeborg Pluhar in ihren Collagen Gesichter zu absurden Masken. Gerda Fassel setzt massige Bronzefiguren mit dicken Brüsten und entblößten Schamlippen auf Podeste. "Wir dürfen aussehen wie wir wollen", scheinen sie zu brüllen.

Diese Werke mussten lange warten, bis sie sichtbar und vor allem verstanden wurden. Nun geht es darum, dass dies für die nachkommenden Generationen zur Selbstverständlichkeit wird. (Katharina Rustler, 20.2.2020)