Adolf Holl, einst berühmter Kirchenrebell, als katholischer Priester wegen häretischer Auffassungen in seinem Bestseller "Jesus in schlechter Gesellschaft" 1973 vom Priesteramt suspendiert, wurde letzte Woche in Wien zu Grabe getragen. Für ihn wurde eine vielbesuchte Seelenmesse gefeiert, und ein hochgradiger Ordensmann nannte ihn in einem Kondolenztext den "letzten Katholiken". Inmitten der gegenwärtigen Krise der katholischen Kirche war Holl eine wichtige Stimme und in den letzten Jahren so etwas wie der inoffizielle Seelsorger der Ungläubigen.

Mit dem schwindenden Einfluss der Kirche ist auch der noch Ende des vorigen Jahrhunderts heiß diskutierte Streit zwischen Progressiven und Konservativen in den Hintergrund getreten. Vor kurzem flammte er wieder auf, als Papst Franziskus in einem Schreiben zur vergangenen Amazonas-Synode die Fragen der Lockerung des Zölibats und der Priesterweihe für Frauen nicht erwähnte. Die Reformer, die etwas derartiges erwartet hatten, waren enttäuscht. Was hätte Holl dazu gesagt?

Der verstorbene Kirchenrebell Adolf Holl.
Foto: Heribert Corn

Einige Antworten finden sich in dem 1998 erschienenen Holl-Buch "Falls ich Papst werden sollte". Mit der für den Autor charakteristischen Mischung aus Witz und Ernst denkt er darüber nach, "ob es verlässliche Regeln für eine traditionsbewusste Heilsmassenanstalt wie die römisch-katholische Kirche gibt, die unter Modernisierungsdruck steht". Eines ist dabei sicher: In die "Modernisierungsfalle" will der Holl-Papst sie nicht führen. Zölibat? Seine Lebensgefährtin, die Dottoressa, wohnt in Castelgandolfo, aber geheiratet wird sie nicht. Er sieht auch nicht ein, warum "jeder Kuss gleich zum Traualtar führen muss". Weibliche Priester? Papst Holl weiht keine, aber er macht 24 Frauen zu Kardinälen.

Große Theologen fehlen

Sein Co-Papst ist Argentinier (ein unbewusster Vorgriff auf Papst Franziskus), und für beide steht der Einsatz für die Armen und Elenden im Mittelpunkt. Und am Ende finden israelische Archäologen das Grab Jesu in Jerusalem, inklusive der Gebeine des Erlösers. Der Papst einigt sich mit den Israelis, den Fund nicht öffentlich zu machen. Ostern, das Fest der Auferstehung, bleibt erhalten.

Holl war ein Zweifler und Kritiker, aber auch ein frommer Mann, der kirchliche Traditionen respektierte und liebte. Seine vielen Freunde aus allen Gesellschaftsschichten, Gläubige wie Ungläubige, schätzten ihn als großzügigen Gastgeber, hervorragenden Koch, anregenden und humorvollen Gesprächspartner und hilfsbereiten Menschen. Er war eher einer, der Fragen stellte, als einer, der für alles eine Antwort parat hatte. Was er wirklich glaubte, wusste niemand so recht.

In der christlichen Welt sind derzeit die interessanten Persönlichkeiten dünn gesät. Es fehlen die großen Theologen à la Karl Rahner, es fehlen auch die spannenden Kritiker à la Hans Küng und Leonardo Boff. Holl, der Ex-Kaplan von Neulerchenfeld und Ex-Moderator des legendären "Club 2" im ORF, rotes Tuch für katholische Reaktionäre und Anlaufstelle für Suchende aller Art, war einer der Letzten aus dieser Riege. Manche sagten von ihm: Er war der prototypische Christ des 21. Jahrhunderts. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 19.2.2020)