Wollen den Fachkräftemangel in der Tourismusbranche bekämpfen: Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP), Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer.
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Wien – Eigentlich wollten die Ministerinnen Margarete Schramböck (Wirtschaft/ÖVP), Christine Aschbacher (Arbeit/ÖVP), Elisabeth Köstinger (Tourismus/ÖVP) und Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer ein Paket zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Tourismusbranche vorstellen. Weit kamen sie in ihren Ausführungen nicht: Ein Gewerkschaftsfunktionär stahl ihnen die Bühne.

Arbeitsmarktgipfel ohne Arbeitnehmervertreter

Zum Hintergrund: Am Donnerstagvormittag veranstalteten die besagten Ministerinnen in der Wirtschaftskammer (WKO) einen Arbeitsmarktgipfel mit den Fachverbänden der Tourismusbranche. Dort sollte das weitere Vorgehen in Sachen Fachkräftemangel im Tourismus besprochen werden.

Der Gipfel fand ohne Vertreter der Arbeitnehmer statt, was bereits am Mittwoch von der SPÖ und der Arbeiterkammer (AK) kritisiert worden war. "Ein Tourismusgipfel ohne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – das ist wirklich der Gipfel", so etwa AK-Präsidentin Renate Anderl. Die SPÖ warf der Regierung vor, dass man "über 200.000 Beschäftigte von oben herab" entscheiden wolle, obwohl im Regierungsprogramm die Rede davon sei, alle Sozialpartner miteinzubeziehen.

Wortgefecht zwischen Mahrer und Gewerkschafter

Dieser Meinung war wohl auch ein Funktionär der Gewerkschaft Vida. WKO-Präsident Mahrer war auf der anschließenden Pressekonferenz gerade mit seinen Ausführungen beschäftigt, da zog der ehemalige Betriebsrat sich eine Kochhaube über und stellte die versammelte Politikerschaft zur Rede.

Er – nach eigenen Aussagen ehemaliger Koch in einem Tourismusbetrieb – stehe stellvertretend für "alle Köche, Kellner und Kollegen in der Branche". und warf der Regierung vor, an den falschen Stellenschrauben anzusetzen: "Wir haben keinen Mangel an steuerlichen Ausnahmen für Tourismusbetriebe, sondern einen Mangel an Maßnahmen gegen das Leiden der Arbeitnehmer." Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei dem "Koch" um den Vorsitzenden der Fachgruppe Tourismus der Gewerkschaft Vida, Berend Tusch. Er beklagte bei der Pressekonferenz die "unmenschlichen Arbeitszeiten": "Warum muss man drei Wochen zwölf Stunden täglich durcharbeiten?".

Davon hielt Mahrer wiederum wenig: "Ich finde es scharf, dass ständig Betriebe verunglimpft werden", konterte er in Richtung des Ruhestörers: "Die Gewerkschaften sollen sich lieber vernünftige Sachen bei den Kollektivvertragsverhandlungen ausmachen."

Im Westen nichts Neues

Bereits am Sonntag hatte Mahrer gegenüber den "Salzburger Nachrichten" deutlich gemacht, was er von der Meinung der Arbeitnehmervertretung hält. Als "sehr eigenartig" bezeichnete er dort die Argumentation der Gewerkschaften, der Fachkräftemangel liege an geringer Bezahlung und schlechten Arbeitsbedingungen.

Beim Gipfel hatte die Regierung übrigens wenig Neues in petto. Wirtschaftsministerin Schramböck kündigte an, 2,5 Millionen Euro für die Finanzierung des Projekts "b.mobile" freigeben zu wollen. "B.mobile" ist ein Programm des Arbeitsmarktservice (AMS) und soll Arbeitslose darin unterstützen, bei der Jobsuche den "Schritt aus Wien herauszuwagen", wie es Schramböck formulierte. Mit Geldern wäre die Finanzierung des Projekts für die nächsten zwei Jahre sichergestellt.

Sonst wurde das Ministerinnen-Trio wenig konkret. Die bereits bekannten Maßnahmen – Überarbeitung der Rot-Weiß-Rot-Karte und Ausbau der Kinderbetreuungsplätze – sollen bis Sommer beschlossen und umgesetzt werden. Arbeitsministerin Aschbacher will zudem neue Zielvorgaben für das AMS entwickeln, damit dieses "bei den Fokusgruppen älterer Arbeitssuchender und Asylberechtigter treffsicherer" werde. Am 3. März soll in Wien eine Jobbörse stattfinden, in der man Asylberechtigte und Tourismusbetriebe zusammenbringen will. Tourismusministerin Köstinger will unterdessen die "Tourismusförderung auf neue Beine stellen, damit wir diese für kleine und mittlere Betriebe nutzbar machen können".

Tourismus: Fachkräfte gesucht

Laut WKO würde mehr als die Hälfte der Tourismusbetriebe Umsatzeinbußen beklagen, da man die steigende Nachfrage wegen Personalmangels nicht bedienen könne. Demnach hätten 80 Prozent der Unternehmen in der Branche ein Defizit an Mitarbeitern.

Den Fachkräftemangel bestätigen auch Berechnungen des Instituts für Höhere Studien (IHS): Demnach fehlen bis 2023 über 40.000 Fachkräfte in der Tourismusbranche. Die entsprechende Studie wurde von der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) in Auftrag gegeben.

Der Personalbedarf in der Gastronomie war in diesen Zahlen nicht mitinbegriffen – der tatsächliche Mangel ist also noch viel größer. Die Studienautoren benannten die rückläufigen Geburtenraten in Osteuropa sowie die hohe Fluktuation als die zentralen Probleme der Branche. (Tobias Kachelmeier, 20.2.2020)