Matteo Renzi führt längst nur noch eine Umfrage an: jene über den unbeliebtesten Politiker in Italien.
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Gefühlt halb Italien ist in der Nacht auf Mittwoch vor dem Fernseher gesessen und hat sich die Politik-Talkshow "Porta a Porta" des öffentlich-rechtlichen Senders RAI angeschaut. Der Grund: eingeladen war Matteo Renzi – und der Ex-Premier und ehemalige Parteichef des sozialdemokratischen PD hatte zuvor durchblicken lassen, dass er den Italienern "etwas sehr Wichtiges" mitzuteilen habe und eine Bombe werde platzen.

Im politischen Rom ging man davon aus, dass Renzi in der Sendung einen Misstrauensantrag gegen Regierungschef Giuseppe Conte ankündigen wird. Er hatte in den vergangenen Wochen mehrfach zu verstehen gegeben, dass er den aktuellen Premier nicht ausstehen kann und für unfähig hält.

Ultimative Forderung

Am Ende hat Renzi es in der Sendung damit bewenden lassen, von Conte mehr oder weniger ultimativ zu fordern, das von der Fünf-Sterne-Protestbewegung und der rechtsradikalen Lega im Jahr 2019 eingeführte Grundeinkommen wieder abzuschaffen und eine Reform des Wahlsystems vorzulegen, die eine Direktwahl des Ministerpräsidenten vorsieht.

Beide Forderungen sind in der gegenwärtigen politischen Konstellation in Rom nicht realisierbar – sie dienten Renzi denn auch nur als gesichtswahrende Maßnahme: Sie sollten davon ablenken, dass er einmal mehr nur geblufft hatte und sich nicht wirklich traut, seine Kleinpartei Italia Viva aus der Regierung abzuziehen und damit eine politische Krise heraufzubeschwören.

Der Feind im eigenen Bett

Renzi führt seit Wochen einen Zermürbungskrieg gegen die eigene Regierung, stimmt dabei im Parlament immer wieder mit der von Lega-Chef Matteo Salvini angeführten Opposition – während Freund und Feind über seine Motive rätseln. Immerhin war es Renzi gewesen, der im vergangenen August die Bildung der neuen Regierung aus Fünf Sternen und dem sozialdemokratischen PD anregte, nachdem "der andere Matteo" – Salvini – die damalige Regierung aus Fünf Sternen und Lega gestürzt hatte.

Jetzt entdeckt Renzi plötzlich unüberbrückbare Differenzen mit der Protestbewegung und will "nicht als Grillino sterben" – als ob die politischen und kulturellen Unterschiede zwischen den beiden neuen Regierungspartnern nicht schon im vergangenen Spätsommer offensichtlich gewesen wären.

Eine beinahe totale Lähmung

Was auch immer den einstigen Hoffnungsträger antreiben mag – das Resultat seiner Guerilla-Taktik ist die beinahe totale Lähmung der Regierung. Wichtige Reformprojekte sind seit Wochen blockiert – während die drittgrößte Volkswirtschaft der EU wirtschaftlich stagniert und bezüglich Wachstum inzwischen sogar von Griechenland überflügelt worden ist. Doch statt Wachstumshindernisse aus dem Weg zu räumen und Impulsprogramme anzustoßen, ist Ministerpräsident Conte hauptsächlich damit beschäftigt, im Parlament eine Truppe von möglichen neuen Partnern zu suchen, die Renzis Senatoren ersetzen könnten, falls der Ex-Premier in den nächsten Monaten doch noch Ernst machen sollte und die Koalition verließe.

Die permanenten Breitseiten und Ultimaten an Conte schaden nicht nur dem Land, sondern auch Renzi selbst. Als "Verschrotter" der linken Parteieliten und als Reformpremier hatte er den damals von ihm geführten PD bei den Europawahlen im Mai 2014 auf das Rekordresultat von 41 Prozent katapultiert – jetzt dümpelt er mit seiner vor fünf Monaten gegründeten Minipartei in den Umfragen zwischen drei und vier Prozent dahin. Renzi führt seit langem nur noch in einer einzigen Umfragekategorie: in jener der unbeliebtesten Politiker im Land.

"Weil es in meiner Natur liegt"

Beim Versuch, Renzis Psyche zu ergründen, bemühte PD-Kulturminister Dario Franceschini am Mittwoch die Fabel vom Frosch, der mit einem Skorpion auf dem Rücken über einen Fluss schwimmt und von diesem totgestochen wird, noch ehe sie das rettende Ufer erreicht haben. "Jetzt ertrinken wir beide, warum hast du das getan?", fragte der Frosch. "Weil es in meiner Natur liegt", antwortete der Skorpion.

Vielleicht hat Franceschini mit der Fabel die Erklärung gefunden: Der ewige Verschrotter Renzi kann nicht anders. Erst hat er seine Vorgänger verschrottet, dann seine diversen Nachfolger an der Spitze des PD und der Regierung – und nun verschrottet er sich, wahrscheinlich, ohne sich dessen bewusst zu sein, selber. (Dominik Straub aus Rom, 20.2.2020)