Blieb wortgewaltig bei seiner Verteidigungsstrategie: "Falter"-Anwalt Alfred Noll.

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Am Donnerstag hat am Wiener Handelsgericht der Prozess zwischen der ÖVP und dem "Falter" begonnen. Stein des Anstoßes ist ein Artikel des "Falter" von vergangenem September, in dem die Wochenzeitung – mitten im Wahlkampf – über interne Dokumente aus der ÖVP-Buchhaltung berichtet hat, die ihr aus anonymer Quelle zugespielt worden sein sollen. Aus diesen Informationen ging laut "Falter" hervor, dass die Volkspartei im Wahlkampf 2017 bewusst die gesetzliche Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen Euro überschritten und die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß der Ausgaben getäuscht habe.

So hatte etwa ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger im Wahlkampf 2017 beteuert, dass man das Gesetz einzuhalten plane. Tatsächlich gab die ÖVP letztlich rund 13 Millionen aus und wurde für diese massive Übertretung kürzlich vom Parteientransparenzsenat zu einer Geldbuße von 800.000 Euro verurteilt. Zudem schrieb der "Falter", basierend auf den geleakten Buchhaltungsdokumenten, dass die ÖVP 2019 erneut mit einer Überschreitung der Grenze kalkuliere und mittels einer zweigeteilten Buchhaltung die wahren Wahlkampfkosten künstlich kleinrechne.

Kein kreativer Vergleich

Die ÖVP reagierte auf die Veröffentlichung schrill, sprach von Manipulation und Falschbehauptungen – und klagte den "Falter" auf Unterlassung, eine entsprechende Veröffentlichung sowie Kostenersatz. Unter dem Vorsitz von Richterin Christiane Kaiser fand nun am Donnerstag der erste Prozesstermin statt. Es waren keine Zeugen geladen, zunächst sollte ausgelotet werden, ob nicht doch die Möglichkeit eines Vergleiches bestehe.

Richterin Kaiser versuchte es mit dem Argument der Zeit, die alle Wunden heilt: "Wir haben Februar, der Wahlkampf ist längst geschlagen, vielleicht finden wir eine gemeinsame Lösung." Nachsatz: "Da müssen wir allerdings kreativ sein." Von einem Vergleich wollten sich aber weder "Falter"-Anwalt Alfred Noll noch ÖVP-Rechtsvertreterin Ulrike Zeller so recht überzeugen lassen.

Grundsatzfragen, Tatsachen, Wertungen

Immerhin gehe es hier um eine Grundsatzfrage, meinte Noll. Es müsse einem Medium, "solange wir nicht bei Putin oder Orbán sind", wohl erlaubt sein, aus den zugespielten ÖVP-Unterlagen den Schluss zu ziehen, dass die Partei die Öffentlichkeit absichtlich getäuscht habe. Das sei eine Wertung, die man zwar nicht teilen müsse, die aber von den Tatsachen nahegelegt würde und angesichts der Pressfreiheit legitim sein müsse. Zudem habe die ÖVP in ihrer Klage auch die Authentizität der publizierten Informationen nicht in Zweifel gezogen. Falsche Tatsachen habe der "Falter" also nicht verbreitet. ÖVP-Anwältin Zeller sah das anders: Für die Unterstellung einer bewussten Täuschung über die Wahlkampfausgaben 2019 gebe es eben kein Tatsachensubstrat. "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht", entgegnete Noll in Anspielung auf den Gesetzesbruch 2017 mit einem Merkspruch. Die Unglaubwürdigkeit der ÖVP sei durch die Erfahrung gedeckt.

"Da stech i ma do eine!"

Einer gütlichen Lösung mittels einer Ehrenerklärung des "Falter" für die ÖVP kann Noll nichts abgewinnen, wie er den Anwesenden – mit dem Zeigefinger den eigenen Hals anbohrend – anschaulich illustrierte: "Bevor ich der ÖVP die Ehre erklär', stech i ma do eine!" Der Erfinder des Misstrauensantrags gegen Bundeskanzler Kurz hat seine Meinung zur ÖVP auch nach seinem Abgeordnetendasein (Liste Jetzt) offenbar nicht wesentlich erhöht.

Im Gegenzug schlug Noll vor, dass doch die ÖVP eine Ehrerklärung für den "Falter" abgeben solle. Die Türkisen mögen zugestehen, dass die Zeitung die Tatsachen korrekt wiedergegeben habe, dass bei deren Interpretation aber Meinungsunterschiede bestehen bleiben. ÖVP-Anwältin Zeller wollte darauf vorerst nicht eingehen, schien freilich von der Idee wenig begeistert. Die Option eines Vergleichs dürfte sich angesichts der verhärteten Fronten erledigt haben.

Nehammer und Melchior im Zeugenstand

Daher wurde im Anschluss schon der Ablauf für die eigentliche Verhandlung festgelegt, deren erster Termin für 22. Juni anberaumt wurde. Als Zeugen sollen dann sowohl ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior als auch sein Vorgänger, der aktuelle Innenminister Karl Nehammer, vor Gericht aussagen. Außerdem werden ein Buchhalter der ÖVP und "Falter"-Redakteur Josef Redl als Zeugen fungieren. Noll beantragte für einen Folgetermin überdies noch ÖVP-Chef Sebastian Kurz als Zeugen: "Er weiß ja sonst auch immer so gut über die Justiz Bescheid."

Wohl nicht ins Protokoll aufgenommen wurden andere Ezzes von Noll zur Ausgestaltung des Verfahrens. Was die Wahl des Raumes im Handelsgericht betrifft, wünschte er sich etwa "eine gute Aussicht". Man wird sehen. (Theo Anders, 20.2.2020)