Man könnte sie als Gebirgsfliege bezeichnen, die es gern kühl hat: Die Taufliege Drosophila nigrosparsa kommt in Höhen von ca. 2000 Metern in den Alpen vor. Sie wird erst ab 17 Uhr aktiv, vor allem im August, mittags ist sie unsichtbar. Drosophila nigrosparsa ist relativ langsam in der Entwicklung, braucht neun Wochen vom Ei zum adulten Tier und ist vergleichsweise langlebig, was bei einem Drosophila-Leben fünf Monate bedeutet. Sie ist auch nicht so fruchtbar wie andere Fliegen: Im Durchschnitt legt ein Weibchen zehn Eier pro Tag. Doch inwieweit wird die Fliege vom Klimawandel beeinflusst, der in den europäischen Alpen zu einer Erwärmung um 1,1 Grad im 20. Jahrhundert führte?

Drosophila nigrosparsa hat es gern kühl: Man sieht sie vor allem im August auf etwa 2000 Meter Höhe in den Alpen – und dann erst ab 17 Uhr.
Foto: Martin-Carl Kinzner

Die Fliege könnte ein ideales Modell für die Anpassung der Tierwelt an den Klimawandel in den Bergen sein, dachten sich die Ökologen Birgit Schlick-Steiner und Florian Steiner von der Uni Innsbruck. Und begannen mit einem Team von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern die Strategien der Anpassung der Fliege an wärmere Temperaturen zu studieren.

Grundsätzlich können alle Tiere auf mehrere Arten auf den Klimawandel reagieren: Die simpelste ist eine Verhaltensänderung, nämlich von der Sonne in den Schatten, von einer wärmer werdenden in eine kühlere Region zu wandern. Mit dieser Strategie scheint aber sehr bald die Grenze der Möglichkeiten erreicht.

In Richtung Bergspitze

Am deutlichsten zeigt sich das in den Bergen: Tiere wandern in Richtung Bergspitze, wenn es ihnen zu warm wird. 100 Meter nach oben bedeuten schon 0,6 Grad Celsius weniger. Das kann die Situation bereits verbessern, vor allem, wenn man die in unserem Jahrhundert bevorstehende Erwärmung von vier bis sechs Grad auf 2000 Meter Höhe in Betracht zieht. Aber: Je höher die Tiere wandern, desto enger wird der Raum, den sie zur Verfügung haben. Vertreter der Art finden dort weniger Ressourcen für die Ernährung vor, die Population wird fragmentiert, die genetische Drift wirkt dadurch stärker, und genetische Vielfalt geht innerhalb der Art verloren. Experten sprechen von der "Gipfelfalle".

Eine zweite Anpassungsmöglichkeit ist die phänotypische Plastizität: Ist sie sehr hoch, dann hat die Umwelt einen starken Einfluss auf das Aussehen, das Verhalten oder andere Eigenschaften, also den Phänotyp, des Individuums. Vertreter der gleichen Art können so an zwei verschiedenen Orten durch die dort herrschenden unterschiedlichen Umwelteinflüsse stark unterschiedliche Phänotypen entwickeln.

Evolutionäre Anpassung

Schließlich wäre da noch die Möglichkeit der evolutionären Anpassung – sie kann mehrere Millionen Jahre dauern, es kann aber auch schnell gehen, wenn genügend genetische Variation in der Art vorhanden und der Selektionsdruck stark ist. Auch der Zufall muss ein wenig mitspielen, um bei geänderten Umweltbedingungen zur altbekannten Fitness zu gelangen. Wenn aber die Erwärmung schneller geht als diese Anpassung, dann wird es für die vom Klimawandel gestresste Art eine Überlebensfrage.

Die Innsbrucker Ökologen stellen in einer im vergangenen Sommer im Fachmagazin Science of The Total Environment publizierten Arbeit fest: Fakten über Drosophila nigrosparsa wie die langsame Entwicklung gelten als evolutionäre Strategien, um im kühlen Bergklima fit zu bleiben. Nahrungsengpässen dürfte die Fliege ebenso gewachsen sein wie Kälte- und kurzen Hitzephasen. Die Forscher wollten im Labor aber genauer untersuchen, inwieweit die Taufliege sich auf höhere Temperaturen einstellen kann.

Sie arbeiteten mit drei Linien: Eine wurde mit der aus Höhenlagen gewohnten Temperatur konfrontiert, eine mit erhöhter Umgebungstemperatur, und die dritte wurde künstlich graduell erwärmt, bis ein Drittel der Tiere ins Hitzekoma fiel. Die restlichen Tiere wurden dann in die gleiche Umgebung wie die zweite Linie entlassen. All das wurde über viele Fliegengenerationen durchgeführt, dann wurde getestet: Linie zwei und drei schnitten ähnlich und schlechter ab als jene Linie, die keinem Temperaturanstieg ausgesetzt war.

Höhere Hitzetoleranz

Schließlich wurden beide Versuchslinien in Temperaturen freigesetzt, die unter den gewohnten Umwelttemperaturen lagen. Die Hitzetoleranz war dadurch zwar höher, sie lag aber unter jener der besagten Kontrolllinie, die unter gewohnten Bedingungen gedeihen konnte.

Die Experimente legen den Schluss nahe, dass Drosophila nigrosparsa nicht über effektive Anpassungsstrategien angesichts des raschen Klimawandels verfügt. Wenn man bedenkt, dass die Klimaerwärmung in den schlimmsten Szenarien bis zu sechs Grad bis Ende des Jahrhunderts beträgt, kann man von einer starken Gefährdung dieser Art ausgehen.

Dass eine kleine Taufliege dem Ökosystem wohl nicht fehlen wird, kann man, wie die Forscher betonen, keinesfalls behaupten. In der Natur gebe es Abhängigkeiten zwischen Blumen und Insekten, zwischen Insekten und Vögeln, da könne schon ein Ausfall allein auch für andere Arten problematisch werden.

Vor allem aber sei wohl anzunehmen, dass andere Arten ähnliche Probleme haben werden, sich so rasch an höhere Temperaturen anzupassen. Der experimentelle Aufwand, das zu zeigen, ist aber, wie man sieht, sehr groß und nur für Arten mit kurzen Generationszeiten überhaupt durchführbar. Der Klimawandel geht schneller, als die meisten Arten sich anpassen können – Drosophila nigrosparsa sollte als Beispiel dafür reichen. (Peter Illetschko, 24.2.2020)