Eine Straßenszene aus Los Angeles, fotografisch festgehalten vom Wiener Architekten Alexander Hagner.

Foto: Alexander Hagner

Weg hier! Feindliche Möbel aus aller Welt, dokumentiert vom Künstler Nils Norman.

Foto: Nils Norman, dismalgarden.com

Im Bild: ein Beispiel aus New York.

Foto: Nils Norman, dismalgarden.com

Hostile Design in Madrid.

Foto: Nils Norman, dismalgarden.com

Ein Beispiel aus Brüssel.

Foto: Nils Norman, dismalgarden.com

Keine einladenden Sitzgelegenheiten in London.

Foto: Nils Norman, dismalgarden.com

Sitzflächen mit Aufstehhilfen sorgten auch in Wien vor kurzem für Aufregung, hier eine Bank in London.

Foto: Nils Norman, dismalgarden.com

Eine grüne Sitzbank auf dem Gehsteig. Die Sitzfläche durch drei halbkreisförmige Metallbügel in vier Segmente geteilt. Davor, auf dem Boden, fast im Rinnstein, liegt ein Obdachloser. Eine Straßenszene aus Los Angeles, fotografisch festgehalten vom Wiener Architekten Alexander Hagner. Er war gerade auf Einladung des Goethe-Instituts vor Ort, um zum Thema "Worlds of Homelessness" zu forschen. Hagner ist Professor für soziales Bauen an der FH Kärnten, sein Büro Gaupenraub entwarf mit der Vinzirast und dem Vinzidorf Räume für Langzeitobdachlose.

Der Mann und die Sitzbank sind für ihn emblematisch. "Ist es wirklich so viel schwerer auszuhalten, wenn der Mann auf der Bank liegt anstatt davor?", fragt er. "Wohnsitzlose, Älte re und Randgruppen sind am meisten auf den öffentlichen Raum angewiesen. Für sie ist er das Wohnzimmer."

Bänke wie jene in L.A. gibt es auf der ganzen Welt, und sie werden immer mehr. Sitzflächen, die schief oder unergonomisch gekrümmt sind. Sitze ohne Lehne, Lehnen ohne Sitzfläche. Sitzflächen, die unterschiedlich hoch sind oder absichtlich unbequem. In Nischen, auf Mauern, auf Böden: Dornen, Stäbe, Absperrgitter. Sieht man es einmal, sieht man es überall. Als Betroffener sowieso. "Wenn das Design gegen dich gerichtet ist, weißt du es sofort", sagt der kanadische Urbanistik-Professor Ocean Howell, der sich seit langem mit dem Thema beschäftigt. Es sagt dir: Du gehörst nicht zu uns. Raus aus dem Wohnzimmer!

Neue Sitzbänke für U-Bahn-Station

Der Fachbegriff für diese architektonischen Abwehrmaßnahmen lautet Hostile oder Defensive Design, und seit Jahren entfachen sie Proteste. Wie 2014 in London, als der Eingang eines neuen Luxuswohnblocks mit "anti-homeless spikes" ausgestattet wurde, die Boris Johnson, damals noch Bürgermeister, auf öffentlichen Druck hin entfernen ließ. Oder in Wien, wo die U4-Station Pilgramgasse mit Sitzbänken ausgestattet wurde, die genau in der Mitte durch einen metallenen Bügel getrennt sind. Die Wiener Linien verteidigten sich: Es handle sich um eine Aufstehhilfe.

Das mag sein. Dennoch ist das Misstrauen berechtigt. Denn der öffentliche Raum verändert sich, vor allem dort, wo Geschäftsinteressen im Spiel sind. Er wird defensiv, seine Ausstattung definiert sich durch das Verhindern, Verunmöglichen und Verteidigen. Man kann sich nicht vorstellen, dass es Designern Spaß macht, so etwas zu entwerfen. Denn Hostile Design ist fast immer von ausnehmender Hässlichkeit.

Bänke und Antibänke

Paradebeispiel: die Camden Bench. Sie wurde 2012 von den Designern Factory Furniture für den gleichnamigen Londoner Bezirk entworfen. Ein Klumpen aus hellem Beton, seltsam abgeschrägt und abgerundet, der das Paradox des feindlichen Designs verkörpert. Eine Form, die nur daraus resultiert, was diese Bank nicht sein darf: keine Fugen (Drogenverstecke!), kein Raum darunter zum Abstellen von Taschen (könnten gestohlen werden!), keine geraden Kanten (könnten von Skateboardern benutzt werden!). Der Autor Frank Swain nannte sie ein perfektes Antiobjekt, denn "es ist eine Bank, die man für vieles benutzen kann, aber nicht als Bank".

Leider nicht nur ein Witz, sondern ein Gegenstand mit weitreichenden Folgen, wie Hagner betont, der sich seit über 15 Jahren mit Sitzbänken beschäftigt und darob nur den Kopf schütteln kann. "Architektur und Design sind etwas, das langfristige Folgen hat. Das steht eben eine Weile herum und schafft Fakten. Die Möblierung des öffentlichen Raums ist eine wichtige und anspruchsvolle Aufgabe. Das Faszinierende daran ist das, was man im Social Design die Soziabilität der Dinge nennt. Ein Gegenstand, der das Gemeinsame ermöglichen oder eben auch verunmöglichen kann."

Gift für das Selbstbewusstsein

Das Wichtigste beim Gestalten einer Bank sei, sagt Hagner, die richtige Balance zwischen robust und filigran zu finden. Sprich: Sie darf sich nicht auf die Vandalensicherheit beschränken, aber auch nicht am ersten Tag kaputtgehen. "Die klassische Parkbank ist in dieser Hinsicht eigentlich schon ziemlich ideal." Wer dies nachprüfen will, dem sei ein Besuch im Wiener Stadtpark angeraten, wohl die größte Konglomeration klassischer Parkbänke in der Stadt. Touristen, Studierende, Obdachlose, Geschäftsfrauen, Liebespaare, Jugendliche, Lesende. Ein einfaches Nebeneinander, das bestens funktioniert.

Hostile Design trifft eine Vielzahl von Menschen. Jugendliche, Skateboarder, Ältere, jeden, der sich im öffentlichen Raum nicht brav und normgerecht bewegt. Die Wohnsitzlosen trifft es am härtesten und somit jene Menschen, die situationsbedingt an psychischen Belastungen leiden. Dann noch durch Dornen auf dem Boden und auf Mauern mit einer "Ratte der Lüfte" gleichgesetzt zu werden ist Gift für das Selbstbewusstsein.

Interaktion unerwünscht

Was macht es mit dem Bewusstsein, wenn die Gesellschaft solche Signale sendet? Wenn das Sitzen nur noch auf vordefinierten Plätzen, eingeklemmt zwischen Aufstehhilfen, möglich ist? Das signalisiert: "Du bist allein." Interaktion unerwünscht. Was das Hostile Design vom öffentlichen Raum übrig lässt, ist so etwas wie eine Schnittmenge von Shopping und Kriegsgebiet, mit Betonbänken wie möbelgewordene SUVs. Spanische Reiter, die den ungestörten Konsum verteidigen. Die Fuzo als Kampfzo.

Doch nicht alle lassen sich diese Feindlichkeit gefallen. Gordan Savičić und Selena Savić näherten sich dem Phänomen schon 2013 in ihrem Buch Unpleasant Design an. Der Künstler Nils Norman dokumentiert und sammelt besonders schaurige Beispiele dorniger Straßenmöbel, und die Website hostiledesign.org vertreibt Sticker mit der Aufschrift "Design Crime", die man auf solchen Möbeln anbringen kann, um sie dann – naming and shaming – per So cial Media zu verbreiten. In Wien starteten die Architektinnen Virginia Lui und Karolína Plášková im Jahr 2016 die Dauerausstellung Maßnahmen gegen Obdachlose am Praterstern, die Strategien, bestimmte Gruppen fernzuhalten, dokumentiert und illustriert. Sie ist auch im Wiener Mak ausgestellt worden.

Wieder liegefähig

Nicht wenige Künstler sehen Hostile Design als Herausforderung zu kreativer Subversion. Die Gruppe Softwalks entwickelte leichte Do-it-yourself-Straßenmöbel. Sitze und Tische, die sich im Handumdrehen an Masten klemmen lassen. Die Künstlerin Sarah Ross erdachte "Archisuits", die sich als weiches Passstück genau auf segmentierte Sitzbänke legen lassen, um sie wieder liegefähig zu machen.

Der deutsche Bildhauer Fabian Brunsing schließlich parodierte die Sitzfeindlichkeit ins Ex treme: Er schuf eine "Bezahlbank", die ihre fakirhaften Dornen für begrenzte Zeit einzieht, sobald man eine Münze einwirft. Parodistische Fußnote: Eine chinesische Stadt war von der Idee so angetan, dass sie sie gleich, ganz unironisch, implementierte. Es gibt noch viel zu tun. (Maik Novotny, 22.2.2020)