Bei der Auftaktveranstaltung wurden die Organisatoren auch von der Autorin Charlotte Roche (vorn, rechts) unterstützt.

Foto: Stefan Müller

Während sich Musikfans erste Tickets für Open-Air-Konzerte und Musikfestivals für den Sommer besorgen, wird in Berlin seit Monaten ein etwas anderes Großevent vorbereitet: Unter dem Namen "12/06/2020 Olympia" findet dort im Juni ein Demokratiefestival statt. Bei der Veranstaltung sollen im Olympiastadion bis zu 90.000 Menschen zusammenkommen, um gemeinsam politisch aktiv zu werden und Lösungen für die ganz großen Probleme zu diskutieren.

Hauptorganisator ist das Berliner Start-up Einhorn, Hersteller von ethisch und nachhaltigen Kondomen und Periodenprodukten, das sich schon länger als soziales und aktivistisches Unternehmen gibt. Schon ein-mal waren die Initiatoren hinter "12/06/2020 Olympia" mit einer Petition erfolgreich.

Nachdem die Steuer auf Periodenprodukte in Deutschland aufgrund einer von Einhorn initiierten Petition erfolgreich heruntergesetzt wurde, will man nun unter dem Motto "Unfuck the World" mit 12/06/2020 Olympia an den Erfolg anschließen. Als einerseits wirtschaftlich, andererseits aktivistisch agierendes Unternehmen wurde Einhorn aber auch kritisiert – und hält sich bei dieser Aktion bewusst im Hintergrund. Man will nicht als Unternehmen, sondern als aktivistische Bewegung wahrgenommen werden. Die Versammlung im Olympia-Station ist außerdem als Non-Profit-Event organisiert, lobby- und werbefrei, alle arbeiten ehrenamtlich, so Einhorn. Bleibt Geld übrig, will man die Summe an eine gemeinnützige Organisation spenden.

Aktivismus

Im Mittelpunkt des Demokratiefestivals stehen aktuelle Themen wie Klimakrise, soziale Ungerechtigkeit und Rassismus: Speaker aus unterschiedlichen Sparten werden Reden halten. Die Aktivisten und Wissenschafter will man "wie Rockstars feiern", sagen die Veranstalter, die das Event im Vorfeld zwischen Woodstock oder Live Aid verorten. "Unser Ziel ist, mit dem 12. Juni 2020 ein Zeichen für unsere Demokratie zu setzen und uns daran zu erinnern, wie viel Einfluss von uns Bürgern und Bürgerinnen ausgeht", sagen die Initiatoren. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, Menschen in dem Gefühl zu reaktivieren, wirksam zu sein: "Wir wollen der gefühlten Ohnmacht entgegentreten und den dieser Tage scheinbar übermächtigen Krisen Lösungen entgegenstellen."

Beteiligung via Smartphone

Darüber hinaus wolle man zeigen, wie gelebte Bürgerbeteiligung aussehen kann: Als konkrete demokratische Maßnahme soll die Versammlung im Stadion dazu genutzt werden, um im großen Stil kollektiv Petitionen via Smartphone zu unterschreiben. Beteiligen sich alle im Stadion Anwesenden, sollen die Themen der Petitionen in einer öffentlichen Tagung des Petitionsausschusses im Bundestag besprochen werden. Mindestens 50.000 Stimmen braucht man in Deutschland dafür. Das ist allerdings noch kein garantierter Erfolg in Bezug auf eine Gesetzesänderung. "Für eine Gesetzesänderung bedarf es anschließend weiterer Kampagnenarbeit für die entsprechende politischen Organe, welche wir auch organisieren wollen", so die Veranstalter. Allen Teilnehmenden wolle man jedenfalls das Gefühl geben, dass sie auch als Einzelpersonen Veränderungen bewirken können. Diesen Eindruck sollen sie dann in ihr persönliches Umfeld, ihre Stadt oder ihre Initiative mitnehmen und sich dort weiter engagieren.

Unterstützt werden die Initiatoren von NGOs und Prominenten, während unter anderem Fridays For Future Berlin und Scientists for Future beratend zur Seite stehen. Die Inhalte der Reden und Petitionen sowie das Programm des Events werden noch erarbeitet, der Prozess ist partizipativ gestaltet: Ab Mitte März kann man online über die Petitionen abstimmen. Finanziert wird 12/06/2020 Olympia ebenfalls von der Crowd: Bis Ende 2019 wurde genügend Geld durch den Ticketverkauf generiert, um die Stadionmiete zu bestreiten.

Für rund 30 Euro konnten Tickets erworben werden. Mittlerweile ist die Veranstaltung ausverkauft. Für jene, die diesen Preis nicht zahlen konnten, wurden 10.000 Tickets verlost. Wer nicht vor Ort ist, kann das Geschehen via Liveübertragung oder Public Viewing verfolgen und seine Stimme online abgeben. (Pia Gärtner, 21.2.2020)