Neue Studie bietet auch Belege, dass dort, wo Integrationsarbeit effektiv ist, gehen weniger Flüchtlinge weggehen.

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In der Eile kann natürlich schon mal etwas schiefgehen. Die FPÖ war am Donnerstag so bestrebt, eine STANDARD-Geschichte als Munition für den Wiener Wahlkampf zu nutzen, dass sie gleich einmal einiges gehörig durcheinanderbrachte.

Wie berichtet haben zwei Ökonomen, Peter Huber vom Wifo und Fanny Dellinger von der Uni Innsbruck, in einem Forschungspapier gezeigt, wie die Kürzung der Mindestsicherung in Niederösterreich vermehrt Asylwerber dazu gebracht hat, nach Wien zu gehen, wo die Sozialleistungen höher sind. In dem Artikel darüber wurden auch frühere Forschungsarbeiten zu dem Thema genannt, unter anderem von drei Princeton-Ökonomen. FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch ließ dazu via Presseaussendung mitteilen: Nun sei durch eine neue Princeton-Studie, an der auch die zwei Österreicher Huber und Dellinger mitgearbeitet haben, belegt, wie Wien Asylberechtigte anlockt.

Auch Finanzminister kommentierte

In dieselbe Stoßrichtung, wenn auch ohne Vermengung aller Studien, argumentierte Finanzminister und ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel: "Durch die fehlgeleitete SPÖ-Politik in Wien steigt die Zuwanderung ins Wiener Sozialsystem." Die Bundeshauptstadt solle die Gesetze ändern. Und Integrationsministerin Suanne Raab (ÖVP) warnte vor Parallelgesellschaften in Ballungsräumen: Ziel müsse sein, dass Flüchtlinge dorthin gehen, wo es Arbeit gibt.

In der Studie geht es darum, ob eine höhere Sozialhilfe die Wohnortentscheidung von Menschen, die soeben einen positiven Asylbescheid in Österreich erhalten haben, beeinflusst. Dafür finden die Autoren Belege, wobei die Studie, ein Working Paper, auch mehrere andere interessante Aspekte zutage gefördert hat. So etwa jenen, dass aus Tirol und Vorarlberg kaum Asylberechtigte nach Wien ziehen, weil es dort, zumindest laut anekdotischer Evidenz, ein besseres Integrationsangebot gibt.

Unterschiede je nach Bundesland

Je nach Bundesland ist die Zahl der Asylwerber, die nach Wien gehen, ohnehin sehr unterschiedlich. Die meisten Menschen gehen aus dem Burgenland und Niederösterreich weg. Wobei hier keinesfalls nur die Sozialhilfe eine Rolle spielt, im Gegenteil: Bekannt ist aus vielen Studien, dass Flüchtlinge eher dorthin gehen, wo sie bereits eine Community aus dem eigenen Land vorfinden. Das ist meist in der Großstadt der Fall. Beobachtet haben die Studienautoren auch, dass mit der Zeit weniger Flüchtlinge, die anerkannt wurden, nach Wien gegangen sind. Der Untersuchungszeitraum bezieht sich auf die Jahre 2012 bis 2017.

In der SPÖ ging Sozialstadtrat Peter Hacker im Gespräch mit dem STANDARD zum Gegenangriff über: "Ich brauche mich für nichts zu rechtfertigen, und Wien braucht sich für nichts zu rechtfertigen. Die Sozialhilfe ist kein Gnadenakt, sondern ein System, um Menschen aufzufangen und ihnen wieder ein selbstständiges Leben zu ermöglichen. Wenn es ÖVP und FPÖ besser geht, wenn sie auf Schwache runterspucken, ist das nicht mein Problem und entspricht auch nicht meinem Weltbild." Der "wahre Skandal" sei, dass es ÖVP und FPÖ in ihrer Regierung nicht gelungen sei, ein einheitliches Sozialhilfegesetz zustandezubringen – das Gesetz wurde in wesentlichen Teilen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

Hacker attackierte Grüne

Zur Studie meinte Hacker, dass die Ergebnisse wenig überraschend seien. "Wir sind eine Zwei-Millionen-Stadt, rundherum ist Land. Die Erkenntnis, dass viele Geflüchtete in die Stadt wollen, ist so neu wie nix."

Und Hacker attackierte die Grünen: "Dass die ÖVP die erste Gelegenheit nutzt, um mit der FPÖ gemeinsam in kuscheliger Einigkeit Stimmung zu machen, ist für die Grünen als Koalitionspartner der ÖVP höchst peinlich." (András Szigetvari, 20.2.2020)