Rothschild-Nachfahre Geoffrey R. Hoguet beim Verhandlungsstart am Donnerstag.

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Wien – Für Richterin Ursula Kovar war es ein "eher ungewöhnlicher Rahmen für eine Außer-Streit-Verhandlung". Das sagte sie am Donnerstagnachmittag gleich zu Beginn des Verfahrens um die Rothschild-Stiftung vor dem Bezirksgericht Hietzing. Denn die Verhandlung wurde aufgrund des großen öffentlichen Interesses gleich in den großen Festsaal des Amtshauses im 13. Bezirk verlegt.

Wie berichtet geht es um den Einfluss auf jene 1907 eingerichtete und mit 20 Millionen Kronen ausgestattete Rothschild-Stiftung, die das bis heute existierende Neurologische Zentrum am Wiener Rosenhügel errichtet hat und betreibt. Die Stiftung wurde von den Nazis arisiert und 1939 aufgelöst. 1956 wurde sie wieder von der Stadt hergestellt. Allerdings wurde als Verwalterin der Stiftung statt eines Kuratoriums unter dem Einfluss der Familie Rothschild der Magistrat der Stadt Wien eingesetzt.

Rothschild-Nachfahre Geoffrey R. Hoguet, der persönlich beim Verfahrensstart anwesend war, fordert vor Gericht die Wiedereinsetzung des ursprünglichen Kuratoriums. Außerdem beklagt er eine Stiftungsänderung im Jahr 2017, wonach als Letztbegünstigte bei einer etwaigen Auflösung der Stiftung die Stadt Wien eingesetzt wurde.

Richterin teilt Bedenken des Rothschild-Nachfahren

Richterin Kovar teilte die Bedenken Hoguets vor allem hinsichtlich der Statutenänderung, die von Hoguets Anwalt Wulf Gordian Hauser vorgetragen wurden. Sie nannte diesen Zustand mit deutlicher Kritik Richtung Stadt Wien "massiv besorgniserregend". Kovar sah auch eine "Gefahr für die Erfüllung des Stifterwillens".

Weil sich die Stadt auch als Letztbegünstigte bei einer etwaigen Auflösung eingetragen hat, stellte Kovar die Bestellung eines Kollisionskurators in Aussicht. Dieser soll als unabhängiger Vertreter der Stiftung einen möglichen Interessenkonflikt prüfen. Dass Wien die Stiftung verwalte und bei einer möglichen Auflösung die Letztbegünstigte sei, nannte Kovar explizit eine "klassische Kollision". Rothschild-Anwalt Hauser meinte dazu: "Sie beaufsichtigen alles, machen Geschäfte mit sich selber, das ist die beste Situation."

Wie berichtet, wirft Hoguet der Stadt zudem In-sich-Geschäfte zwischen Magistratsabteilungen rund um die Rothschild-Stiftung vor. Außerdem forderte Kovar für das Pflegschaftsgericht Hietzing Akteneinsicht bei der Stadt Wien an.

Stadt investierte "500 bis 600 Millionen Euro"

Hannes Jarolim, der die Stadt vertritt, führte aus, dass Wien über die Jahre "500 bis 600 Millionen Euro" in den Wirkungsbereich der Rothschild-Stiftung investiert hat. Die Stadt habe auch die Gebäude nach dem Krieg wiederaufgebaut, sagte der ehemalige SPÖ-Parlamentarier. Das Stiftungskapital sei schon vor Mai 1938 von umgerechnet rund 125 Millionen Euro auf nur noch rund acht Millionen Euro geschrumpft. "Dass man mit acht Millionen Euro kein Krankenhaus führen kann, ist evident."

Jarolim legte aber auch dar, dass die Stadt weiterhin das Neurologische Zentrum am Rosenhügel betreiben wolle. "Es will niemand die Stiftung auflösen." Im Gegenteil: Agnes Berlakovich, Leiterin der MA 40 (Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht), führte sogar aus, dass gemäß dem Stiftungswillen ein weiteres "medizinisches Projekt" auf dem Rosenhügel-Areal entstehen könnte. "Es gibt Interessenten", sagte Berlakovich. Näher wollte sie sich nicht dazu äußern.

Wie geht es jetzt weiter? Beide Streitparteien – also die Rothschild-Seite und Vertreter der Stadt Wien – stellten auf Anraten von Richterin Kovar ("Es ist alles blockiert, kommen Sie ins Gespräch") direkte Verhandlungen in Aussicht. Das Verfahren selbst wurde vorerst auf unbestimmte Zeit vertagt. Zusätzlich dürfte ein Antrag vor dem Landesverwaltungsgericht landen, das über die kritisierten Statutenänderungen der Stiftung im Jahr 2017 entscheiden soll. (David Krutzler, 21.2.2020)