Was ist männlich, und wie gut und richtig fühlt es sich an? "ani_male" von Georg Blaschke und Jan Machacek im Brut.

Lisbeth Kovacic

Mann ist sich selbst unheimlich. Und das nicht erst seit MeToo. Wann konnte er je sicher sein, ob er Manns genug ist? Obwohl es dafür einmal Standardbeschreibungen gab. Erhalten hat sich ein hergebrachtes, in Zuschreibungen verpacktes Gefühl. Mann ist immer noch lieber Löwe als Frosch, und das auf Kosten der Frösche. Auch der berühmte Vergleich von Friedrich Torbergs Tante Jolesch – "Was ein Mann schöner ist wie ein Aff', ist ein Luxus!" – hat dem so punzierten Tier nicht wirklich genützt.

Jan Machacek

Jetzt ist Mann aber ganz offiziell verunsichert. Das verdeutlichen auch der Choreograf Georg Blaschke und der Medienkünstler Jan Machacek mit ihrer neuen gemeinsamen Performance "ani_male". Die beiden Wiener zeigen diese Uraufführung, in der sie das "uncanny valley" ("Unheimliche Tal") zwischen Mann und Tier erfahrbar machen wollen, noch bis Dienstag im Studio Brut Zieglergasse.

Zur Illustration des Mann-Tier-Dilemmas schlüpft Blaschke in einen brustfreien Fellstrampler. Dem Publikum entgeht der Witz nicht. Immerhin erfreut sich auch das Klischee vom "Kind im Mann" beim tradierten Konstrukt von Maskulinität einer ungebrochenen Prominenz, weil es vielen männlichen Manien die ihnen innewohnende Tragik nimmt. Diesen Humor mildern Machaceks Videobilder und Blaschkes Tanz, sobald sie deutlich machen, wie sehr das Bild zum modernen Fell des Körpers geworden ist.

Fixiert auf Werkzeug

Machaceks Großprojektionen auf die Bühnenwand umhüllen die archaischen Versatzstücke, mit denen Blaschke seinen Leib umgibt: Lederstücke, Langhaar-Skalps, dicke Äste, das Theater selbst. Das deutet die große Erzählung davon an, wie aus einfachen Nutzobjekten elaborierte Technologie geworden ist. Den Rest wissen wir. Mit dieser Werkzeugfixiertheit haben uns die Patriarchate der Geschichte Krieg und Zerstörung vererbt.

Das "uncanny valley" dient eigentlich zur Bezeichnung des unangenehmen Eindrucks, den humanoide Roboter auf menschliche Betrachter machen: wenn die Ähnlichkeit der Imitation gerade so weit geht, dass die Täuschungsabsicht hinter dem Nachgemachten sichtbar bleibt. Bei "ani_male" wird wohl mit dem Gedanken geflirtet, dass der Mann nie nahe genug ans Tier heranreichen kann, sobald er das "Animalische" in ihm ausspielt. Wild geworden wird er maximal zum Monster.

Weder Sieg noch Niederlage

Ein solches Unwesen deutet sich in einem Solo an, das Blaschke in vollem Pelz tanzt – inmitten der Projektion eines Videos, das ihn dabei zeigt, wie er seinen Strampler ablegt. Diese Andeutung verstärkt die Darstellung der männlichen Verunsicherung, die sich durch das gesamte Stück zieht. Auch das zeigen Blaschke und Machacek: Das männliche Geschlecht hat seine Rolle innerhalb der Idee von einer zivilisierten Menschheit noch immer nicht wirklich gefunden.

Der Figur und dem technischen Medium im Stück sind keine maskulinen Goodies vergönnt, weder Sieg noch Niederlage, nicht einmal die handelsübliche Großleistung oder ein grandioses Scheitern. Stattdessen tanzt nur eine feine und daher umso deutlichere Peinlichkeit mit. Eine, die vorführt, wie sehr das Kind im Mann gar nicht in der Lage ist zu spielen. Am Ende verpatzt das Monster doch immer alle noch so schön herbeifantasierten Ansätze. Als personifizierte Enttäuschung verzieht sich der Tänzer am Ende in einen Nebenraum. Auf der Bühne bleibt still ein bekannter Witz: Irren ist männlich. (Helmut Ploebst, 21.2.2020)