2018 wurde Zirngast in der Türkei verhaftet. Die genauen Umstände beschäftigen österreichische Ministerien noch heute.

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Wenn Österreicherinnen oder Österreicher in der Türkei inhaftiert sind oder festgehalten werden, erregt das hierzulande Aufregung – zumindest, sofern das bekannt wird. So war zum Beispiel die Erleichterung groß, als die Wiener Pädagogin Mülkiye Laçin im Jänner überraschend aus der Türkei ausreisen durfte, besondere Aufmerksamkeit erlangte auch der Fall von Max Zirngast, der mehrere Monate lang wegen Terrorverdachts in der Türkei im Gefängnis saß.

Quer über die Parteienlandschaft hinweg gab es da im Jahr 2019 Einsatz für den eingesperrten Studenten, so nannte etwa der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das türkische Vorgehen "inakzeptabel", Ex-Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sah "politische Gründe" hinter der Verhaftung des Steirers. Den inhaftierten und festgehaltenen wird und wurde stets Unterstützung zugesagt, so war etwa bei Laçins Prozess ein Vertreter der österreichischen Botschaft anwesend.

Keine Daten in den Ministerien

Nur: Wie viele österreichische Staatsbürger eigentlich inhaftiert sind, weiß niemand so genau. Aus der Beantwortung von mehreren parlamentarischen Anfragen, die die Grünen-Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic gestellt hat, geht hervor: Weder das Außen- noch das Justizministerium kennen genaue Zahlen.

Ersteres argumentiert das wie folgt: Eine Verständigung der türkischen Behörden über eine Festnahme oder Verhaftung erfolge nur dann, wenn eine Person ausschließlich die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, nicht aber, wenn sie zusätzlich eine türkische Staatsbürgerschaft hat. "Meinem Ressort sind daher nur jene Fälle von Verhaftung oder Festnahme bekannt, die entweder von den Betroffenen selbst, ihren Angehörigen oder durch die türkischen Behörden herangetragen werden", heißt es dazu von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). "Einige wenige Fälle" seien bekannt, hieß es schon im Jänner vom Außenministerium gegenüber dem STANDARD.

Von Justizministerium Alma Zadić (Grüne) heißt es in der Anfragebeantwortung schlicht, sie verfüge über kein Datenmaterial, was inhaftierte Österreicher angeht, auch nicht darüber, gegen wie viele – so wie in den Fällen Zirngast und Laçin – ein Verfahren wegen Terrordelikten laufe.

Wenig Neues zu österreichischen Ermittlungen gegen Zirngast

Ebenfalls hohe Wellen schlug, dass auch in Österreich gegen Max Zirngast ermittelt wurde. Dieses Vorgehen verteidigen involvierte Behörden damals wie heute, immerhin sei man in Österreich verpflichtet zu prüfen, ob ein derartiger Vorwurf im Ausland auch hierzulande strafbar sei.

Man habe damit Zirngast in Gefahr gebracht, war jedoch der Vorwurf von Clemens Lahner, dem Anwalt Zirngasts. Denn: Die Ermittlungen und vor allem ein Rechtshilfeansuchen hätten die türkische Willkürjustiz befeuert. Die Staatsanwaltschaft Graz hatte türkischen Behörden geschrieben, gegen Zirngast bestehe auch in Österreich der Verdacht, er habe sich in einer Terrororganisation engagiert.

In ihren Anfragebeantwortungen schreiben jedoch sowohl Justiz- als auch Außenministerium, es wären keine Bedenken, "dass Ermittlungen in Österreich den Ausgang des Prozesses in der Türkei zuungungsten von Max Zirngast beeinflussen könnten", an die Ministerien herangetragen worden. Allerdings schreibt Zadić, man habe die Vorwürfe der türkischen Behörden "von Anfang an kritisch gesehen". Auch die Unterlagenbeschaffung solle dazu dienen, die Ausführungen im Verhörprotokoll "kritisch zu hinterfragen".

Offene Fragen, keine Reaktion aus der Türkei

Offen sei jedoch nach wie vor, woher genau in Österreich der Anfangsverdacht gegen ihn kam, kritisiert Zirngast selbst. Von Anwalt Lahner heißt es dazu: "Bisher scheinen die Behörden noch nicht begriffen zu haben, dass durch das inhaltlich falsche Schreiben der Staatsanwaltschaft Graz an das Gericht in Ankara ein österreichischer Staatsbürger in Gefahr gebracht wurde, für lange Zeit in einem türkischen Gefängnis zu verschwinden."

Die Türkei sah allerdings ohnehin davon ab, Akten nach Österreich zu übermitteln. Nachdem Zirngast am 11. September 2019 überraschend freigesprochen worden war, beendeten auch österreichische Behörden die Ermittlungen am 29. Oktober 2019. (Gabriele Scherndl, 21.2.2020)