Brigitte Bierlein und Heinz Fischer bei einer Nationalratssitzung im Jänner 2020.

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Wien – Ex-Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Ex-Bundespräsident Heinz Fischer haben sich kritisch über die von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) losgetretene Justizdebatte geäußert. Bei einer Tagung europäischer Rechtsanwälte warnten die beiden am Freitag in Wien vor einem Schaden für die Justiz, während Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff die Angriffe als "brandgefährlich" kritisierte.

"Selbstverständlich ist auch die Justiz nicht sakrosankt und darf auch kritisiert werden, solange sie nicht als Institution infrage gestellt wird und dadurch Schaden nimmt", mahnte die frühere Verfassungsgerichtshofs-Präsidentin. Fischer kritisierte, dass Kurz die Kritik nicht im Parlament geäußert hat, wo sich die Betroffenen verteidigen können, "sondern in einem Hintergrundgespräch vor Journalisten, das die beabsichtigte Wirkung erzielt, ohne dass die Quelle sichtbar ist".

Kritik auch vonseiten der Rechtsanwälte

Noch schärfer äußerte sich der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Rupert Wolff. Die öffentliche Diskussion über die Justiz sei "brandgefährlich", weil sie das Vertrauen in den Rechtsstaat gefährde, betonte er in seiner Rede vor 200 Gästen aus 40 Ländern, darunter zahlreiche Rechtsanwaltskammerpräsidenten und auch EU-Justizkommissar Didier Reynders.

"Der Rechtsstaat gerät in Gefahr, wenn öffentliche Kritik an der Justiz als politische Waffe eingesetzt wird", betonte Wolff. Er räumte ein, dass es zahlreiche Unzulänglichkeiten in der Justiz gebe und die Rechtsanwälte diesbezüglich die schärfsten Kritiker seien. Der Grund sei aber nicht "eine vermutete politische Schlagseite der Gerichte, sondern deren jahrelange systematische Mangelausstattung". Es mangle an Geld, Personal, Technik, Infrastruktur, "ja es mangelt an allem". Seit Jahren fordere man mehr Ressourcen, doch "seit Jahren bleibt dieser Ruf ungehört". "Justizministerin Alma Zadić hat daher unsere volle Unterstützung im Kampf für mehr Ressourcen und besseren Rechtsschutz", betonte Wolff.

Kritik an Sicherungshaft

Weiters bekräftigte Wolff den Widerstand der Rechtsanwälte gegen die geplante Sicherungshaft. "Menschen, ohne dass sie etwas angestellt haben, auf Basis einer Zukunftsprognose einzusperren, das geht gar nicht. Das ist brandgefährlich", sagte Wolff.

Bierlein und Fischer monierten, dass das Regierungsprogramm im Punkt der Sicherungshaft ziemlich vage sei. Die frühere Kanzlerin trat auch der Argumentation entgegen, dass 15 EU-Staaten eine solche Präventivhaft bereits kennen. Schließlich sei es so, dass in Österreich das Recht auf Freiheit "besonders weit, weiter als in anderen Staaten" reiche. (APA, 21.2.2020)