Josef Eisenriegler beschäftigt in seiner Reparaturfirma RUSZ seit vielen Jahren bevorzugt Langzeitarbeitslose und andere Menschen am Rande des Arbeitsmarkts.
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Es wird geschraubt, gelötet und gebastelt – im Reparaturbetrieb RUSZ setzen Mechatroniker Elektrogeräte aller Art wieder instand. Gut gelaunt steht Gründer und Firmenchef Josef Eisenriegler, flankiert von seinen zwei Hunden, zum Interview bereit und spricht über die Entwicklung eines sozialökonomischen Betriebs – über zwischenzeitlich finanziell magere Jahre bis zu den aktuellen Franchiseplänen seiner Firma. Ihm gehe es nicht um Gewinne, sagt Eisenriegler, sondern um Ressourcenschonung und Klimaschutz.

STANDARD: Was war Ihr bisher kuriosester Reparaturauftrag?

Eisenriegler: Ein älterer Herr hat ein Koffertonbandgerät gebracht, dazu Spulen mit Aufzeichnungen seiner Tochter aus ganz jungen Jahren. Er wollte es auf jeden Fall reparieren. Die Tochter ist eine Opernsopranistin geworden, und er wollte ihre ersten Stimmbildungsversuche wieder hören.

STANDARD: Konnten Sie helfen?

Eisenriegler: Das Gerät war so alt, dass es keine Ersatzteile mehr gab. Ein Modellbauer hat sie auf der Drehbank handgefertigt. Das war wirklich viel Arbeit und hat ungefähr 600 Euro gekostet. Aber dem Herrn war es das wert.

STANDARD: Wie wichtig ist die Verfügbarkeit von Ersatzteilen?

Einsenriegler: Ob eine Reparatur wirtschaftlich möglich ist, hängt von den Ersatzteillieferanten ab. Wir haben aufgrund unserer 21-jährigen Erfahrung gute Kontakte. Oft rentiert es sich aber nicht, weil das technische Design so gestaltet ist, dass wir von frühzeitiger oder geplanter Obsoleszenz reden. Dann macht Reparieren manchmal keinen Sinn, weil man dazu das ganze Gerät zerstören müsste.

STANDARD: Wann ist geplante Obsoleszenz zum Problem geworden?

Einsenriegler: Das hat vor etwa zehn Jahren begonnen. Das ist kein Vorwurf, den ich Herstellern mache, sondern dass man nicht früher reagiert hat auf das wachstumsgetriebene Wirtschaftssystem in gesättigten Märkten. Wenn jeder eine Waschmaschine und einen Geschirrspüler hat, reduziert man die Nutzungsdauer, um mehr Geräte zu verkaufen.

STANDARD: Wer ist an der Wegwerfgesellschaft schuld – Hersteller, Konsumenten oder die Politik?

Eisenriegler: In Wahrheit ist das Wirtschaftssystem obsolet. Erst nach jahrzehntelangem Lobbying, auch von meiner Person, bei den EU-Institutionen ist man draufgekommen, dass etwas geändert werden muss. Die Folge war das Kreislaufwirtschaftspaket, das im Dezember 2015 veröffentlicht wurde.

STANDARD: Die EU ist ja eher für Lobbying von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen verschrien. Hat sie den Konsumentenschutz und die Ökologie entdeckt?

Eisenriegler: Beides. Aufgrund einer Eurobarometer-Umfrage wissen wir, dass 77 Prozent der Haushalte in der EU meinen, sie hätten gern langlebig und reparaturfreundlich konstruierte Geräte. Die bekommen sie aber nicht oder können nicht unterscheiden, welche Geräte diesen Vorstellungen entsprechen aufgrund fehlender Informationen seitens der Hersteller. Ökonomen sprechen von einer Informationsasymmetrie zwischen Herstellern und Endbenutzern.

STANDARD: Wie wirkt sich die aus?

Eisenriegler: Die Leute sind nicht in der Lage zu unterscheiden zwischen hochwertigen Geräten und billigen Wegwerfprodukten. Die Waschmaschine ist nur ein Hilfsmittel für saubere Wäsche. Man kann 20 Jahre saubere Wäsche haben mit einer Miele um 900 Euro oder mit sieben 300-Euro-Waschmaschinen. Die Investitionskosten sind doppelt so hoch, wie wenn man gleich eine Gescheite kauft.

STANDARD: Nicht jeder hat 900 Euro für eine Waschmaschine.

Eisenriegler: Man kann bei uns auch eine Waschmaschine mieten, die hohen Qualitätsstandards entspricht. Nach einem Jahr machen wir quasi ein Pickerl, checken das Gerät durch und tauschen Verschleißteile.

STANDARD: Kann ein Austausch nicht auch wegen des Energieverbrauchs sinnvoll sein?

Eisenriegler: Die sogenannte Energieeffizienzlüge. Es gibt nur ein Programm, das Eco-Programm, bei dem weniger Strom verbraucht wird. Dann dauert ein Waschgang eineinhalb Stunden länger. In der Praxis wird nur bei 16 Prozent der Waschgänge das Eco-Programm gewählt. Ohne Not wurden Millionen Waschmaschinen wegen der Energieeffizienz getauscht.

RUSZ-Chef Josef Eisenriegler (2. von li.) kooperiert auch mit dem Normungsinstitut Austrian Standards bei der Ausarbeitung von Richtlinien für eine Kreislaufwirtschaft. Zudem wurde er mehrfach ausgezeichnet, etwa 2017 mit dem Trigos, einem Preis für nachhaltiges Wirtschaften.
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STANDARD: Sie haben gesagt, das Wirtschaftssystem sei obsolet. Worauf müssen wir uns einstellen?

Eisenriegler: Das Wirtschaftssystem muss sich dem Wandel zur zirkulären Wirtschaft unterziehen. Das ist nicht so schwer. Wer wachsende Geschäftsfelder will, muss – wie wir bei Waschmaschinen – die Produktdienstleistung und nicht das Produkt anbieten.

STANDARD: Also Sharing Economy, was bei Jungen beliebt ist.

Eisenriegler: Genau. Kunden haben den Nutzen, dass sie nicht mehr Eigentümer der Produkte sind und damit weniger Sorgen haben. Wenn das in industriellem Maßstab gemacht wird, werden die Hersteller selbst darauf achten, dass ihre Geräte langlebiger und leichter zu reparieren sind.

STANDARD: Sie arbeiten seit vielen Jahren mit Langzeitarbeitslosen. Wie sind die Erfahrungen?

Eisenriegler: Die Erfahrungen sind positiv. Aber wir leisten auch einiges dafür. Wir haben pro Jahr im Durchschnitt zwölf Menschen im Arbeitstraining. Aus diesem Pool, zu dem auch Lehrlinge der überbetrieblichen Mechatronikerlehre zählen, schöpfen wir unsere Arbeitskräfte für die Zukunft.

STANDARD: Sie planen ein Franchisekonzept. Wie sieht das aus?

Eisenriegler: Es nennt sich soziales Franchising. Unsere Franchisebetriebe in Graz, Linz, Salzburg und Vorarlberg sollen diesem Konzept folgen. Sie sollen Langzeitarbeitslose ausbilden, das können auch wir in der Zentrale übernehmen. Wir schicken keine Wiener nach Vorarlberg, das funktioniert nicht, sondern wir geben Vorarlbergern hier den Schliff.

STANDARD: Sie betreiben das RUSZ seit 2008 als GmbH auf eigenes Risiko. Wie entwickelt sich das Geschäft?

Eisenriegler: Es war Risk and Fun – aber so viel Fun hätte ich gar nicht gebraucht. Es war teilweise schon gesundheitsbedrohlich, weil es sich nie ganz ausgegangen ist. Wir sind bis auf ein Jahr, in dem das Buch "Konsumtrottel" erschienen ist, jedes Mal mit einer leicht negativen Bilanz ausgestiegen. Wenn man so will, war es die längste Zeit Liebhaberei.

STANDARD: Jetzt nicht mehr?

Eisenriegler: Eine Mehrwertsteuersenkung auf Reparaturen und eine bundesweite Reparaturförderung werden bald kommen. Erstens kostet es, wie das Wifo berechnet hat, nicht viel. Zweitens kann sich die Regierung damit Lorbeeren umhängen. Dann schließen wir automatisch positiv ab. Die Mehrwertsteuersenkung wäre schon mehr, als wir Miese produzieren.

STANDARD: In den Köpfen hat sich das Bewusstsein für Klima und Umwelt geschärft – hat das geholfen?

Eisenriegler: Absolut. Fridays for Future hat mir die Firma gerettet. (Alexander Hahn, 24.2.2020)