Hinter den Mauern des Straflandesgerichts Wien wurde ein Fall von fortgesetzter Gewalt in den eigenen vier Wänden verhandelt.

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Wien – Von einer Grenzlandgemeinde im Waldviertel über eine Bezirkshauptstadt nach Wien zu kommen ist für ÖVP-Klubobmann August Wöginger ja quasi die Direttissima zur grünen Parteimitgliedschaft. Politisch aktiv ist die 29-jährige Frau A., seit zehn Jahren verheiratet mit dem Angeklagten Fakhri M. und Mutter zweier Kinder, nicht. Aber laut Staatsanwaltschaft Opfer fortgesetzter Gewaltausübung durch ihren Ehemann, dem es nicht passte, dass sie auf eigenen Füßen stehen wollte.

Der 37 Jahre alte Angeklagte, verteidigt von Franz Pechmann, zeigt sich vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Philipp Krasa nur teilgeständig. Einmal habe er bei einem Streit zugeschlagen und ein blaues Auge bei A. verursacht, das auch fotografisch dokumentiert ist. Dass er seine Gattin aber, wie die in der kontradiktorischen Einvernahme sagte, seit neun Jahren mindestens zweimal im Monat schlage, stimme nicht.

Job nur ohne Kopftuch

Im Jahr 2015 kam die Familie aus dem Nahen Osten nach Österreich. Die ersten zwei Jahre lebte man in einer kleinen niederösterreichischen Gemeinde, dann in Horn, ehe man schließlich im Vorjahr in die Bundeshauptstadt zog. Die Frau lernte rasch Deutsch, spätestens in Wien begann sie zu arbeiten und trug auch kein Kopftuch mehr. Mit diesem hätte sie keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, erklärte sie ihrem Mann.

Dem soll das ebenso wenig gepasst haben wie die Tattoos, die A. sich stechen ließ. Auch die Freundschaft und regelmäßigen Treffen mit einem Unterstützer sollen dem Angeklagten ein Dorn im Auge gewesen sein. Dass dieser aus seiner Homosexualität kein Hehl machte, tat der Eifersucht keinen Abbruch.

Die am zweiten Verhandlungstag erschienenen Zeuginnen und Zeugen klären das Bild ein wenig auf. Eine 80-Jährige, in den ersten zwei Jahren Quartiergeberin, sah nie Gewalttaten oder Verletzungsspuren bei der Frau. Allerdings habe M. zugegeben, eine Kommode ruiniert zu haben – wie, weiß die Zeugin aber nicht. Auch eine Nachbarin hatte zwar einen Verdacht, aber nie etwas gesehen.

Make-up gegen Verletzungsspuren

Zeuge S., das Objekt der Eifersucht, berichtet, dass ihm A. immer wieder von Handgreiflichkeiten berichtet habe. Ihm sei 2019 auch öfters aufgefallen, dass sie stark geschminkt gewesen sei. Seiner Vermutung nach wollte sie damit Hämatome überdecken. Der Angeklagte habe auch weitere Treffen verboten – verhindern konnte er sie aber nicht.

Ein Arbeitskollege des Angeklagten, der nach dessen Inhaftierung A. unterstützte, berichtet, dass die 29-Jährige bei der Polizei die Anzeige zurückziehen wollte, was nicht mehr möglich gewesen sei. "Sie hat gesagt, es sei schwer, eine alleinerziehende Mutter zu sein, und sie wolle ihren Mann zurück", schildert er.

Auch bei der kontradiktorischen Einvernahme schickte A. voraus, dass sie nicht wolle, dass ihr Gatte ins Gefängnis müsse. Obwohl sie ihre Pflicht mit dieser Einvernahme eigentlich erfüllt hatte, suchte sie Vorsitzenden Krasa im Vorfeld des Prozesses auf und ersuchte, nochmals aussagen zu dürfen. Warum, bleibt unklar – als sie auf dem Zeugenstuhl sitzt, erklärt sie, nichts mehr zu sagen.

Eigener Vater bedrohte Opfer

Der mögliche Wankelmut könnte mit einem Tonmitschnitt zusammenhängen, den der Angeklagte im Jahr 2019 aufgenommen hat. In diesem gesteht A. einen Ehebruch. Sie habe Ja gesagt, da sie ihre Ruhe haben wollte, argumentiert die Frau. M. habe in der Folge immer wieder gedroht, die Aufnahme ihrer Familie vorzuspielen oder sie im Internet zu veröffentlichen. Tatsächlich wurde das Gespräch in der Familie bekannt – worauf A.s eigener Vater sie bedrohte, wie Krasa festhält.

Zweimal flüchtete A. im Vorjahr in ein Frauenhaus, am 16. Oktober wurde ihr Mann in Untersuchungshaft genommen. Die er nun wieder verlassen darf. Der Senat sieht die fortgesetzte Gewaltausübung nur für das Jahr 2019 als bewiesen an. Bei einem Strafrahmen bis zu drei Jahren wird M. daher zu einem Jahr, davon vier Monate unbedingt, verurteilt. Den unbedingten Teil hat er bereits mit der Untersuchungshaft verbüßt. Verteidiger Pechmann nimmt das Urteil sofort an, die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, womit die Entscheidung nicht rechtskräftig ist. (Michael Möseneder, 21.2.2020)