"News" analysierte die Rhetorik von Kanzler Sebastian Kurz und Ministerin Elisabeth Köstinger.

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Das Wochenmagazin "News" hat sich in beiden zuletzt erschienenen Nummern einer pädagogischen Aufgabe unterwunden, von der man nur wünschen kann, dass sie im Interesse der Demokratie reiche Früchte trägt. Auf seinen Seiten macht sich eine sogenannte Sprachprofilerin namens Tatjana Lackner ans Werk, den sprachlichen Entäußerungen heimischer Politiker im Hinblick auf deren rhetorische Qualitäten auf den Grund zu gehen. Dass diese zwischen Worthülsen und Sprechblasen dahinmäandern, weiß jede und jeder, die oder der gelegentlich den Fernsehapparat einschaltet, um festzustellen, dass das politische Personal unseres Landes sprachlich überschaubar talentiert ist.

Wie es sich gehört, begann ihre Analyse sprachlich überschaubarer Talente mit dem Bundeskanzler, wobei sie es an dem gegenüber Staatenlenkern gebotenen Respekt nicht fehlen ließ. Die unaufgeregte Sprechweise des Bundeskanzlers ist zuhörerorientiert. Er entwirft viele Szenarien, die gespickt sind mit rhetorischen Kniffen. Zum Beispiel: Wenn er Interviewfragen ausweicht, dann "bittet er um Verständnis" und erklärt, dass "man das in aller Ruhe bereits vorbereite". Der rhetorische Kniff, um Verständnis zu bitten, wenn man Interviewfragen ausweicht, erzeugt zwar keinerlei Verständnis und ist auch das Gegenteil von zuhörerorientiert, dafür dürfte inzwischen auch der feurigste Kurz-Fan in der Erklärung, dass "man das in aller Ruhe vorbereite" nichts anderes erkennen als eine faule Ausrede.

Themen "mit Nachdruck" verfolgen

Egal, der Bundeskanzler punktet mit seiner Ursachen- und Wirkungsrhetorik und damit, dass er Themen "mit Nachdruck" verfolgt. Rhetorisch gelingt ihm das gut mit Anaphern. Also mit der Wiederholung desselben Wortes am Anfang mehrer Sätze. Ob mit diesem Stilmittel zuhörerorientiert Nachdruck oder nur lähmende Langeweile produziert wird, hängt natürlich ein wenig auch von Gewicht und Bedeutung des wiederholten Wortes ab, womit die Sinnfrage gestellt wäre, die aber eine Sprachprofilerin ebenso wenig interessieren muss wie die mögliche Wirkung einer Epipher. Sie ist ja keine Sinnprofilerin.

Aber auch nicht ganz unkritisch vor dem Kanzlerthron. Wenn er die Obertöne zu stark einsetzt, dann klingt seine Stimme gepresst. Dennoch sind die stimmlichen Kickser mit den Jahren weniger geworden. Sobald er breit lacht, verliert er an natürlicher Autorität, und seine staatsmännische Eleganz schwindet. Das scheint er zu wissen, denn man sieht ihn zwar lächeln, aber selten öffentlich lachen. Um seine natürliche Autorität zu wahren, geht er vermutlich in den Keller lachen, wo sie ungehindert Wirkung entfaltet und auch seine staatsmännische Eleganz überzeugend zur Geltung kommt.

Köstinger bedient mit einfachen Sätzen

Eine Woche nach diesem Wühlen im Gewürzschrank des guten Rhetorikers ging es in "News" an den Gewürzschrank von Elisabeth Köstinger. Als Landwirtschaftsministerin bedient sie ihre Zielgruppe mit einfachen Sätzen, eine Einschätzung, in der eine gewisse Abwertung unserer autochthonen Landsleute mitschwingt. Sie galt einst als "Geheimwaffe für Kurz" in seiner ersten Regierung. Nach der damaligen Angelobung wurde die frischgebackene Ministerin – für viele überraschend schnell – schwanger. Als Zwieback in der zweiten Regierung Kurz hat sie bisher weder als Geheimwaffe noch sonst überrascht.

Umso mehr mit anderen Mankos. Körpersprachlich fällt ihr verkürzter C3-Schieber auf (=dritter Halswirbel von oben). Sie streckt den Kopf nach vorne und scheint in geduckter Haltung mit hochgezogenen Schulter zu sprechen. Aber auch beim Ackerbau geht es um Inhalte. Kann sie eine Frage nicht beantworten, hagelt es lächelnd Stehsätze wie: "Wir werden uns das ganz intensiv anschauen ..." Gebetsmühlenartige Wiederholungen, dass ihr "die bäuerlichen Betriebe" am Herzen lägen, nehmen ihren Aussagen gelegentlich den Schwung. Ihr fehlt einfach die Leidenschaft für die Anapher. Mit der Mehrzahlbildung steht Köstinger auf Kriegsfuß, und grammatikalische Holprigkeiten finden sich in jedem zweiten Interview. Sie sagt etwa "Sädämba" statt September. Das ist nicht weiter schlimm, nur gegen den C3-Schieber sollte sie etwas unternehmen.

Falls "News" vorhat, sämtliche Regierungsmitglieder rhetorisch zu durchleuchten, sollte Klaudia Tanner bald drankommen. Sie weicht jeder zweiten Frage mit der einleitenden Phrase aus: "Unsere Aufgabe wird sein ..." Sie hat die sedierende Wirkung der Anapher verstanden. (Günter Traxler, 22.2.2020)