Klappe, die dreizehnte. Am Samstag beginnt in der südsudanesischen Hauptstadt Juba ein weiterer Versuch, einen der verheerendsten Konflikte Afrikas zu beenden: Es handelt sich um den 13. Anlauf, den seit über sechs Jahren tobenden Bruderkrieg im jüngsten Staat der Welt zu beenden. Südsudans Präsident Salva Kiir und sein einstiger Stellvertreter Riek Machar wollen eine gemeinsame Übergangsregierung bilden: ein mehrmals verschobener Schritt zur Befriedung des Südsudans, den ausländische Regierungen – unter anderen der USA – mit einem am Samstag ablaufenden Ultimatum unter Androhung eines Wirtschaftsboykotts gefordert hatten.

Die beiden Kontrahenten verständigten sich am Donnerstag gleichsam in letzter Minute auf die Bildung dieser Übergangsregierung – allerdings wurden mehrere entscheidende Streitpunkte aus der Verständigung vorerst ausgeklammert. Beobachter werten die Regierungsbildung als einen "ersten Schritt auf einer noch langen Reise": Dass der Friede nun tatsächlich im Kasten ist, muss allerdings bezweifelt werden.

Rebellenchef Riek Machar mit Präsident Salva Kiir (links) und Sudans Machthaber im Übergangsrat, Mohamed Hamdan Dagalo.
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Noch nicht geklärt ist zum Beispiel, wann und wie Kiirs und Machars Truppen in eine gemeinsame 84.000-köpfige Armee integriert werden: "Wie sollen diese, nachdem sie sich sechs Jahre lang gegenseitig abgeschlachtet haben, plötzlich zusammenarbeiten können?", fragt der Südsudan-Kenner Peter Martell. Auch der Streit um die künftige Gestalt des Landes wurde vertagt: obwohl es sich bei der Aufteilung des Südsudans in Provinzen um das heißeste Eisen des Konflikts handelt. In dem erdölreichen Staat kann man mit Grenzziehungen neben dem politischen Einfluss auch die Verteilung des Reichtums bestimmen.

Vielvölkerstaat

Ein Sprengsatz, der noch dadurch verschärft wird, dass die Konfliktparteien fast ausschließlich durch ethnische Zugehörigkeit definiert sind. Kiir gilt als Repräsentant der Dinka, die mit rund 15 Prozent die größte Gruppe im Vielvölkerstaat ausmachen, während Machar den zweitplazierten Nuer (rund zehn Prozent) angehört. An dem Konflikt zwischen Dinka Kiir und Nuer Machar zerbrach im Jahr 2013 die "Südsudanesische Volksbefreiungsbewegung" (SPLA) – auch wenn Machar vor allem die diktatorische Regierungsführung des 68-jährigen Präsidenten (der mit dem schwarzen Stetson-Hut) für den Bruderkrieg verantwortlich macht.

Nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit Sudans arabisch dominiertem Norden war dem afrikanischen Süden des Landes schließlich eingeräumt worden, über seine Unabhängigkeit selbst entscheiden zu können. Bei einem Volksentscheid sprachen sich fast 99 Prozent der Südsudanesen im Jänner 2011 für einen eigenen Staat aus. Der Jubel über die erkämpfte Freiheit wich jedoch zwei Jahre später dem Kriegslärm zwischen Kiir und Macher: Dinka- und Nuer-Soldaten lieferten sich im Dezember 2013 in Juba Straßenschlachten. Der Präsident behauptet, es habe sich um einen Putschversuch gehandelt, Machar spricht von einem Attentatversuch gegen ihn. Danach brach ein sich bald über das ganze Land erstreckender Bürgerkrieg aus, der mindestens 400.000 Menschen das Leben und mehr als zwei Millionen die Heimat kostete – Afrikas größte Vertreibungswelle seit dem ruandischen Völkermord. Derzeit hungert die Hälfte der zwölf Millionen Südsudanesen oder ist auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Im Dezember des Vorjahres hielt Sudans Machthaber schon die Hände der Kontrahenten hoch.
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Kindersoldaten

Beide Konfliktparteien ließen sich bis heute schwere Menschenrechtsverletzungen zuschulden kommen, die möglicherweise sogar als Kriegsverbrechen behandelt werden müssten, befand eine von den Vereinten Nationen beauftragte Kommission in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. Sowohl Kiirs wie Machars Truppen hielten insgesamt bis zu 19.000 Kindersoldaten unter Waffen, setzten Vergewaltigung als Mittel der Kriegsführung ein und schreckten auch vor dem absichtlichen Aushungern der Bevölkerung nicht zurück, heißt es in dem Kommissionsbericht weiter. Der Kiir-Regierung wird außerdem vorgeworfen, Millionen Dollar an öffentlichen Geldern geplündert zu haben: Die politische Elite zeige sich vom Leid der Bevölkerung völlig unbeeindruckt. Keine guten Voraussetzungen dafür, dass der Frieden mit der 13. Klappe tatsächlich im Kasten sein könnte. (Johannes Dieterich, 21.2.2020)