Die Grünen stehen vor einem Asyldilemma, das ihnen mittelfristig ernste Probleme einbringen kann. Als Juniorpartner der Kurz’schen ÖVP, die bei Flüchtlingen inhaltlich bisher nicht von ihrem rigiden Kurs unter Türkis-Blau abgewichen ist und die sämtliche bundespolitische Kompetenzen in diesem Bereich innehat, sind sie mit Positionen konfrontiert, die die meisten ihrer Mitstreiter und Funktionäre keineswegs teilen.

Aber großteils schweigen sie, offenbar, weil ihnen der Frieden am Koalitionstisch über alles geht.

Die Grünen schweigen noch, sagen manche und ersuchen um Schonfrist für den Regierungsnewcomer. Andere, weniger Wohlmeinende vermuten, die heiße Kartoffel Flüchtlingspolitik werde von der grünen Führung in der Hoffnung liegengelassen, die Partei dadurch mehr in die Mitte zu rücken. Unter asylpolitisch interessierten Grünen-Sympathisanten macht sich unterdessen zunehmender Frust breit.

Vizekanzler Werner Kogler.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Jüngster Anlass ist der Härtefall eines Afghanen, der sich in Österreich katholisch taufen ließ. Rechtliche Grundlagen, um ihn rasch nach Österreich zurückzuholen, gibt es nicht – und im türkisen Innenministerium ist bisher keine Bereitschaft zu einer humanitären Lösung erkennbar.

Eine solche Situation, so sollte man meinen, bietet Anlass für konstruktive grüne Einwände. Doch weder von grünen Parlamentariern noch aus Kreisen der Regierungstruppe kam dazu bisher ein Wort; mit dem STANDARD gesprochen wurde nur im Off. Immerhin: Im Burgenland meldet Regina Petrik Kritik an dem Behördenvorgehen an. Auch sie aber zeigt Verständnis dafür, dass die Partei im Bund in solchen Fällen nicht die öffentliche Auseinandersetzung sucht, sondern intern Gespräche mit dem Koalitionspartner führt.

Es gehe auch darum, einen atmosphärischen Rückschlag in rot-schwarze Zeiten zu vermeiden, sagt Petrik. Das mag Sinn machen, doch die Rolle kommentarloser Erdulder kafkaesker Flüchtlingsfälle und Kurz’scher Asylhärteparolen geht mit akuter Gefahr grünen Profilverlusts einher.

Dies könnte sich spätestens bei der kommenden Wahl rächen. Um das abzufangen, sollten Koglers Frauen und Mannen mehr Mut an den Tag legen. Stimmenmäßig könnte sich das sogar lohnen: Unter Türkisen, die der alten ÖVP zuzurechnen sind, gibt es viele, die das Ausscheiden der FPÖ aus Regierungsfunktionen mit der Hoffnung verbunden haben, dass es mit der extremen Asylhärte nun ein Ende haben werde. Sie warten auf entsprechende Signale. (Irene Brickner, 21.2.2020)