Im Gastkommentar zeigt sich Eva Maltschnig, die Vorsitzende der Sektion Acht der SPÖ Alsergrund, wenig begeistert vom jüngsten Vorschlag der SPÖ-Chefin.

Die letzte Woche präsentierte Mitgliederbefragung der SPÖ samt "Vertrauensfrage" durch Pamela Rendi-Wagner ist ein halbherzig getarntes taktisches Manöver, das ihre Position stärken soll. Mit echter Mitbestimmung hat das nichts zu tun. International etablierte Instrumente innerparteilicher Demokratie könnten der SPÖ jedoch tatsächlich helfen, einen Weg aus der Misere zu finden.

Wer überzeugter Fan eines krisengebeutelten Fußballklubs ist, kann sich derzeit sehr gut in die Gefühlswelt eines SPÖ-Mitglieds hineindenken. Für 70 Euro Mitgliedsbeitrag im Jahr bekommt man relativ viel Kummer. Die Nationalratswahl wurde trotz des Ibiza-Skandals verloren, daraufhin der glücklose Wahlkampfmanager zum Bundesgeschäftsführer befördert. In dieser Position informierte er 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SPÖ kurz vor Weihnachten per E-Mail über ihre bevorstehende Kündigung und düpierte seinen Kritiker und Vorvorgänger Max Lercher via Boulevardpresse. Rendi-Wagner kündigte als Reaktion auf die Wahlniederlage einen Erneuerungsprozess an, der am Papier dem von ihrem Vorgänger gestarteten Parteireformprozess auffällig ähnelte. Die damaligen Ergebnisse einer Mitgliederbefragung waren von ihr vom Tisch gewischt worden, ein Aufschrei der Basis rettete einen Teil davon. Nun präsentiert sie ihre eigene.

Pamela Rendi-Wagner will von der Parteibasis wissen, ob sie SPÖ-Chefin bleiben soll.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Ansammlung von Banalitäten

Der Fragebogen, der demnächst an alle Mitglieder geschickt wird, ist über weite Strecken eine Ansammlung völliger Banalitäten, die am Schluss in der vielbeachteten "Vertrauensfrage" kumulieren: "Soll Pamela Rendi-Wagner Bundesparteivorsitzende bleiben, um für diese wichtigen Themen gemeinsam mit allen in der Partei zu kämpfen?"

Diese Befragung hat nichts mit innerparteilicher Demokratie zu tun, sondern soll ein für Rendi-Wagner hilfreicher strategischer Schachzug sein. Sie verspricht sich durch den erhofften positiven Rückhalt in der Basis eine Stärkung ihrer Position und fährt damit nebenbei den Wiener Genossinnen und Genossen, die gerade den Vorwahlkampf starten, in die Parade. Gegenüber den Mitgliedern signalisiert sie: Unterstützt mich, denn ihr habt keine andere Wahl. Die gibt es tatsächlich nicht, denn eine Alternativoption ist am Fragebogen nicht vorgesehen.

Kleine Machtelite

Derzeit entscheidet eine kleine Machtelite in der Partei, wer Vorsitzende der SPÖ wird. So bekam auch Rendi-Wagner ihren Job. Wenn diese Machtelite ihre Meinung überdenkt, wankt die Chefin. Diese Königsmacherinnen und Königsmacher entscheiden im Hinterzimmer über das ob, wann und wer der Ablöse. Dieses Vorgehen ist ein völliger Anachronismus. In nahezu allen europäischen sozialdemokratischen Parteien wird mittlerweile der Parteivorsitz mittels Mitgliederdirektwahl gewählt.

Zuletzt rang sich die krisengebeutelte SPD dazu durch, in einer Situation nicht unähnlich der SPÖ: Ein paar knapp aufeinanderfolgende Vorsitzwechsel, gepaart mit Wahlniederlagen, ließen es so aussehen, als würde sich einfach niemand finden lassen, der die Partei übernimmt. Es traten schließlich sieben Teams mit eigenen Programmen zur Mitgliederdirektwahl an. Auch bei der britischen Labour-Partei steht demnächst eine Vorsitzdirektwahl an. Am 21. Februar bekommen alle britischen Parteimitglieder per Post die Unterlagen zur Wahl von Jeremy Corbyns Nachfolge.

Klarheit schaffen

Vorsitzdirektwahlen durch die Mitglieder sind mitnichten ein Garant dafür, die nächste Wahl zu gewinnen. Sie zwingen aber alle Kandidatinnen und Kandidaten vorab zur Beantwortung einer Frage, die Rendi-Wagner bis heute offengelassen hat: Wofür steht die Sozialdemokratie? Auch im Rahmen dieser Mitgliederbefragung legt die SPÖ-Vorsitzende kein Projekt, keine Strategie vor, mit der sie die SPÖ in bessere Zeiten zu führen gedenkt. Die vermeintlich große Geste der "Vertrauensfrage" kommt ohne jegliches konzeptionelle Unterfutter daher, sie ist Taktik ohne Inhalt.

Für die SPÖ wäre es an der Zeit, Klarheit zu schaffen: Der oder die nächste Parteivorsitzende muss im Rahmen einer kompetitiven Wahl durch die Mitglieder gewählt werden. Erstens hebt das die Qualität: Wer die eigenen Mitglieder nicht von sich überzeugen kann, schafft es bei Wählerinnen und Wählern unmöglich. Zweitens wiegt das Ergebnis deutlich schwerer als ein hastig gefundener Kompromiss der sogenannten Parteigranden und emanzipiert den Vorsitz von ihren Gnaden. Drittens ist es eine Frage der Fairness gegenüber den Mitgliedern, die mit ihren Beiträgen und ehrenamtlichen Leistungen die Organisation wesentlich tragen. Ihnen steht eine echte Wahl zu. (Eva Maltschnig, 23.2.2020)