Das Militärspital "Annibaldi" ist einer jener Orte, an denen infizierte Menschen beobachtet werden sollen.

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In Casalpusterlengo wird die Bevölkerung aufgerufen, ihre Häuser nicht zu verlassen.

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Rom/Peking/Seoul – Die Zahl der Coronavirus-Infektionen in Norditalien wächst weiter. So wurden am Samstag von den Gesundheitsbehörden 39 Fälle in der Lombardei – vor allem in den Provinzen Lodi und Pavia – und zwölf in der Gegend von Padua (Region Venetien) gemeldet, darunter der 78-Jährige, der am Freitag gestorben ist.

Giulio Gallera, der Gesundheitsbeauftragte der Lombardei, berichtete bei einer Pressekonferenz in Mailand am Samstag, dass der Herd der Epidemie im südlichen Teil der Provinz Lodi lokalisiert worden sei. Man könne jedoch nicht von einer Pandemie sprechen. Von den insgesamt rund 250 in der Lombardei getesteten Personen seien demnach 13 Prozent positiv. Die lombardische Frau, die in ihrer Wohnung tot aufgefunden worden war, wurde positiv auf das Coronavirus getestet, es sei jedoch noch unklar, ob sie am Virus oder an einer anderen Krankheit gestorben sei. Daher soll nun eine Obduktion erfolgen.

Gallera rief die Bevölkerung zur Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden auf. In den zehn lombardischen Gemeinden mit etwa 50.000 Einwohnern, in denen Lokale und Geschäfte geschlossen wurden, habe die Bevölkerung Kooperationsbereitschaft bewiesen. Weitere Städte in der Lombardei könnten Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung des Virus zu verhindern.

Im österreichischen Gesundheitsministerium hieß es am Samstag, man beobachte die Ansteckungen in Italien mit erhöhter Aufmerksamkeit. Bisher seien bei 181 Verdachtsfällen Testungen durchgeführt worden – "alle waren negativ". Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte via Aussendung: "Wir sind über das 'Early Warning and Response System' der EU rund um die Uhr mit allen Ländern der EU vernetzt und können damit unmittelbar nach dem allfälligen Auftauchen des Verdachts einer Verbindung nach Österreich sofort Maßnahmen ergreifen. Österreich ist sicher eines der am besten vorbereiteten Länder der EU."

Einsatzstab im Innenministerium tagt

Am Sonntag sollen in Wien die vor zwei Wochen aus China zurückgekehrte Frau und ihre drei Kinder nach einer Abschlussuntersuchung aus der Quarantäne entlassen werden, hieß es am Samstag aus dem Krankenanstaltenverbund. Auch die letzten Tests seien bei ihnen negativ gewesen.

"Eindämmung möglich", "Zeitfenster" knapp

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus warnte am Freitag, das "Zeitfenster" zur Eindämmung der Epidemie schließe sich. Zuvor waren neue Infektionsherde sowohl aus China als auch aus mehreren anderen Ländern, etwa dem Iran, gemeldet worden.

"Wir sind immer noch in einer Phase, wo die Eindämmung möglich ist", sagte Ghebreyesus. "Aber das Zeitfenster schließt sich immer mehr." Wenn die Welt jetzt nicht "hart" gegen das Virus vorgehe, werde sie vor einem "schwerwiegenden Problem" stehen. Außerdem kündigte er via Twitter an, mit den Staaten Afrikas zu kooperieren für den Fall einer möglichen Verbreitung des Coronavirus.

Zahlreiche Neuinfizierte in Südkorea

Besonders besorgniserregend ist die Lage in Südkorea, wo die Zahl der Neuinfizierten am Samstag sprunghaft anstieg: Die Behörden des Landes meldeten 87 neue Erkrankungsfälle, die Gesamtzahl stieg damit auf 433 – die zweithöchste außerhalb Chinas. Ausgangspunkt ist die Shincheonji Church of Jesus. Die Verbreitung des Virus in der christlichen Sekte ging nach Behördenangaben von einer 61-jährigen Anhängerin aus, die Virustests zunächst verweigert hatte und weiter zu Gottesdiensten in der Stadt Daegu ging.

Auch von dem vor der japanischen Küste liegenden Kreuzfahrtschiff "Diamond Princess" könnte sich das Virus weiter ausbreiten. Nachdem am Mittwoch rund 500 Passagiere das Schiff nach zweiwöchiger Quarantäne verlassen durften, erwiesen sich mehrere der ursprünglich negativ getesteten Ex-Passagiere als infiziert. Sechs deutsche Passagiere wurden am Freitag an Bord einer italienischen Maschine aus Japan ausgeflogen, wie das Auswärtige Amt im Kurzbotschaftendienst Twitter mitteilte.

Weiter an Bord

In Japan ist bei einer zunächst negativ auf das neue Coronavirus getesteten Passagierin des Kreuzfahrtschiffs "Diamond Princess" nachträglich das Virus SARS-CoV-2 festgestellt worden. Das berichtete der japanische Fernsehsender NHK am späten Samstagabend (Ortszeit).

Die Regierung in Tokio hatte der Frau in ihren 60ern erlaubt, das Schiff nach Ende der zweiwöchigen Quarantäne zusammen mit Hunderten anderen negativ getesteten Passagieren am Mittwoch zu verlassen. Sie durften mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren. Diese Entscheidung war unter Experten auf Unverständnis gestoßen.

Passagiere nicht getestet

Deutschland und andere Länder stellten dagegen ihre Landsleute nach Rückholung in ihre Heimat erneut unter Quarantäne. Der japanische Gesundheitsminister Katsunobu Kato musste am Samstagabend (Ortszeit) einräumen, dass es sein Ministerium bei 23 Passagieren versäumt hatte, vor ihrer Ausschiffung die nötigen Virustests vorzunehmen. Er bereue den "Fehler", wurde Kato von japanischen Medien zitiert. Man werde dafür sorgen, dass sich so ein Fehler nicht wiederhole.

Die 23 Passagiere seien vor dem 5. Februar negativ getestet worden. Nach Verhängung der Quarantäne waren sie dann nicht mehr getestet worden. Auch wer negativ getestet worden ist, kann offenbar später doch das Virus in sich tragen.

Mehr als 100 Passagiere des Schiffes, die zwar negativ getestet wurden, aber engen Kontakt mit Infizierten an Bord hatten, wurden am Samstag ebenfalls von Bord und in eine Quarantäneeinrichtung an Land gebracht. Ursprünglich hatte die japanische Regierung geplant, die Menschen vorerst weiter an Bord zu lassen. Auch rund 1.000 Crewmitglieder bleiben vorerst auf dem Kreuzfahrtschiff in Yokohama. Ursprünglich hatten sich 3.700 Menschen an Bord des Schiffes befunden.

Der Iran meldete am Samstag zehn neue Infektionsfälle. Einer der Patienten sei gestorben, teilte der Sprecher des Gesundheitsministeriums mit. Insgesamt sind im Iran damit 28 Fälle bekannt, fünf dieser mit dem Coronavirus infizierten Menschen starben.

76.000 Virusfälle in China

Aus China, dem Epizentrum des Virusausbruchs, meldeten die Behörden am Samstag hingegen erneut sinkende Ansteckungszahlen und Todesfälle: 109 Menschen starben demnach seit Freitag an dem Virus, was die Zahl der Todesopfer auf über 2300 steigen lässt. Insgesamt sollen den Behörden zufolge nun rund 76.000 Menschen mit dem Virus infiziert sein.

Die Inkubationszeit könnte nach chinesischen Angaben länger sein als die bisher angenommenen zwei Wochen. Ein 70-jähriger Mann in der Provinz Hubei habe sich mit dem Coronavirus infiziert, aber 27 Tage lang keine Symptome gezeigt, teilte die Provinzregierung mit. Eine längere Dauer von der Ansteckung bis zu den ersten Anzeichen der Krankheit könnte die Bemühungen erschweren, die Epidemie einzudämmen.

Chinas Staatschef Xi Jinping sagte bei einer Politbüro-Sitzung, der Höhepunkt der Epidemie sei "noch nicht gekommen", vor allem die Lage in der Provinz Hubei sei weiterhin "düster und kompliziert". In Hubei war im Dezember der Erreger der Atemwegserkrankung Covid-19 erstmals bei Menschen festgestellt worden.

In etwa 25 weiteren Ländern wurden insgesamt rund 1100 Infektionen nachgewiesen. Nach wie vor werden 99 Prozent der Erkrankungen aus China gemeldet, 95 Prozent aus der hauptbetroffenen Provinz Hubei. In der EU liegen (inklusive Großbritannien) derzeit 62 bestätigte Erkrankungen vor. (APA/AFP, 22.02.2020)