Joseph L. Jones II., 2008 politischer Direktor der Obama-Wahlkampagne in Iowa, leitet mittlerweile das überparteiliche Harkin-Institut in Iowa. Zuvor hatte er jahrelang für den mittlerweile pensionierten demokratischen Senator Tom Harkin gearbeitet.

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Einigkeit gibt es bei den US-Demokraten bisher nicht. Und es könnte durchaus sein, dass das noch länger so bleibt, sagt Politikexperte Joseph Jones.

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Wien – Ja, sicher sei das so, sagt Joseph Jones: Das US-Vorwahlsystem würde schon dafür sorgen, dass die Polarisierung steige, moderate Kandidaten es manchmal schwieriger hätten und jene an der Parteibasis an Relevanz gewinnen, die ideologischer zu Werke gehen. Allerdings, so der Chef des von demokratischen Ex-Senator Tom Harkin gegründeten Harkin-Instituts in Iowa: Viel wichtiger für die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten seien immer noch die politischen Themen. Und: "Ich glaube, dass die Partei, die nicht an der Macht ist, dazu neigt, Leute auszuwählen, die möglichst viel ändern – also solche, deren Ansichten zu Themen am weitesten vom Status Quo entfernt sind. Das schadet manchmal moderaten Kandidatinnen, die stärker pragmatisch auftreten – auf Kompromisse und Koalitionen haben die Leute an den Flügeln nicht immer Appetit."

Dass sich damit die schon seit 2016 anhaltende Beliebtheit von Bernie Sanders nur zur Hälfte erklären lässt, gesteht Jones, der vergangene Woche auf Einladung der US-Botschaft in Wien war, im Gespräch mit der STANDARD vor ein paar Tagen ein. Dieser spreche heute wie damals eben "die an, die den Eindruck haben, dass das System allgemein ihre Ansprüche nicht erfüllt". Jene, die den Status Quo ablehnten – sie seien es, die im Lager der Demokraten zu Sanders tendieren würden und die "einen radikalen Wandel" wünschten.

Filter Vorwahl

Doch unabhängig von der möglichen Polarisierung, die das Beispiel Donald Trumps und Bernie Sanders zeigt: Dass es sich bei den Vorwahlen grundsätzlich um eine gute Einrichtung handle, will Jones nicht infrage stellen. Beim komplizierten System aus Caucus-Wahlversammlungen, Primaries und dem Kampf um Delegiertenstimmen gehe es schließlich vor allem um eines: Die Relevanz der eigenen Message zu prüfen und zu einer besseren Kandidatin, einem besseren Kandidaten zu werden. Kurz, er sieht, vor allem am Anfang, eine Filterfunktion: "Wer hat eine positive Message? Wer kann auf Durchschnittsleute zugehen und nimmt sie ernst? Wer kann mit ihnen reden? Das ist etwas, was nach Iowa und New Hampshire nicht mehr in vielen Staaten feststellbar ist."

Dass es dieses Jahr bei der ersten Runde zu einem Chaos bei der Stimmauszählung gekommen ist, sei daher besonders bitter, sagt Jones, der 2008 im Wahlkampfteam Barack Obamas in Iowa eine tragende Rolle gespielt hatte. Das komplizierte Caucus-System daher gleich ganz aufzulassen – das ginge Jones, zumindest als unmittelbarer Schritt, aber zu weit. Man müsse sich das vorher gut überlegen, meint er und gibt zu bedenken: "Wenn wir eine Vorwahl statt des Caucus hätten, würde das die Dinge dramatisch ändern – nicht im Sinne, dass es unbedingt besser oder schlechter wäre, aber es wäre anders." Nicht zuletzt werde eine Primary von Bundesstaaten ausgerichtet – ein Caucus aber von der Partei.

"Wir müssen den Prozess laufen lassen"

Und was, wenn in diesem Jahr bis Juli kein Kandidat die absolute Mehrheit der Delegiertenstimmen holt, und am Ende der Parteitag entscheidet? Dass es so komme, könne schon sein, sagt Jones vergangene Woche zur allgemeinen Möglichkeit einer "Brokered Convention" – also noch bevor am Wochenende Überlegungen der demokratischen Parteiführung publik werden, die damit womöglich eine Kandidatur Bernie Sanders' verhindern will. Und: "Das würde mir keine Sorgen machen. Wir müssen den Prozess eben laufen lassen."

Immerhin gebe es auch sonst oft knappe Wahlresultate, ohne, dass das eine Vertrauenskrise aufseiten der Wählerinnen und Wähler auslöse. Auch, wenn dann nach langem Wahlprozedere erst recht der Parteitag entscheide.

Es ist ein langer, ermüdender Wahlkampf

Mehr Sorge habe ihm aber zuletzt ohnehin die Frage bereitet, wie das Wahlvolk bis zum November bei der Stange gehalten werden könne. "Die Energie, die ich in der Caucus-Nacht gespürt habe, war eine sehr positive", sagt Jones zwar. Aber: Es gebe jetzt schon seit 2016 dauernde Aufregungen, einen anhaltenden Bogen, in dem man seinen Enthusiasmus bewahren müsse. "Jene, die dann 2018 bei den Midterm-Wahlen angetreten sind, waren Teil einer Bewegung, es waren Leute, die etwas ändern wollten. Und dieser Enthusiasmus auf Seiten der Kandidatinnen und Kandidaten ist immer noch da. Aber der schwierige Schritt ist der, wo es um Leute geht, die sich nicht jeden Tag mit Politik beschäftigen: Es gibt schon jetzt jeden Tag irgendwelche Nachrichten zu den Kampagnen – und es sind noch neun Monate bis zur Wahl im November." Ermüdung der Wähler, so Jones, sei also die mögliche Gefahr.

Ob es darüber hinaus auch eine Gewöhnung an den Präsidenten gebe, der vor vier Jahren wegen seines Auftretens noch vielen als unwählbar erschienen sei? "Sprache und Charakter zählen immer. Ich glaube nicht, dass den Leuten das weniger wichtig ist", sagt Jones, um dann einzuschränken: "Aber es gibt auch andere Indikatoren – die Frage der Wirtschaft, der Punkt, wo das Handeln der Regierung die Leute direkt betrifft." Er wolle nicht sagen, dass die Leute Trumps Verhalten deshalb ignorieren würden– "aber sie könnten gewisse Dinge weniger stark in ihre Entscheidung einfließen lassen". (Manuel Escher, 23.2.2020)