Im Wiener Gymnasium in der Kandlgasse lernen die Schülerinnen und Schüler im Grünen – obwohl sie im Klassenzimmer sitzen.

Foto: Der Standard/Hendrich

Der Frühling lacht die Schülerinnen und Schüler mitten im Klassenzimmer an: Pflanzen aller Art finden sich hier an einer Wand in Form eines vertikalen Beetes. Hier geht es nicht um Behübschung, vielmehr handelt es sich bei der Pflanzenwand um ein Ökoprojekt, das gemeinsam mit der Technischen Universität und der Universität für Bodenkultur entwickelt wurde. Das Gymnasium in der Kandlgasse in Wien-Neubau ergrünt auch innen.

Vor fünf Jahren habe man mit der Kooperation begonnen, erzählt Direktor Georg Waschulin. Die Aula ist nun ein kleines Biotop, um das sich sogar ein Gärtner kümmern muss, eine weitere Gartenwand findet sich im Biologiesaal. Drei kleinere stehen schon zur Montage bereit. Demnächst wird auch anderenorts das Klassenklima gut – und zwar im wahrsten Sinne. Der Sauerstoffgehalt sei viel besser, wie die ständigen Messungen der Forscher ergeben hätten, sagt Waschulin. Die Wände würden sich auch als Lärmdämmung bewähren. Was im Haus geht, funktioniert auch auf einer Außenwand. Hier erhoffen die Experten unter anderem, Daten für die Wärmedämmung zu erhalten. Dass eine Photovoltaik-Anlage auf dem Turnsaal steht, die für den Strom der Pflanzenbeleuchtung sorgt, versteht sich fast von selbst.

Lehrkräfte als Klimabeauftragte

Wichtig ist für den Schuldirektor, dass das Forschungsprojekt auch im Unterricht eingebaut wird. Es gibt "Ökolog-Tage", an denen Messungen mit den Schülern besprochen und erklärt werden. Und: Sie sind auch mitverantwortlich dafür, dass die Pflanzen in den Klassen gedeihen.

In Wien gibt es Projekte wie dieses schon seit einigen Jahren, allerdings gehen sie immer von engagierten Schulen aus und werden von der Wiener Bildungsdirektion nicht zentral erfasst. Seit Herbst 2019 kooperiert die Schulaufsicht mit Fridays for Future (FFF). Die Schüler fordern, dass Lehrkräfte als Klimabeauftragte fungieren sollen, wie Vincent S. von FFF sagt. Es gebe viele, die etwas tun wollen, aber keine Anreize haben. Zudem wollen die Aktivistinnen und Aktivisten Klimaschutz verstärkt im Unterricht behandelt sehen – fächerübergreifend. Interesse gibt es aber nicht nur am Lernen von Fakten, sagt der niederösterreichische Schüler. Im Unterricht solle es auch darum gehen, was Politik, Wirtschaft und jeder Einzelne tun kann, um die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten.

Zwei Fliegen, eine Klappe

Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb hätte genau das passende Angebot für motivierte Schüler wie Vincent. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen hat sie das Programm "Making a Change" ins Leben gerufen. Das Bildungsministerium lässt sich das für drei Jahre 750.000 Euro kosten – die Projektbeteiligten, die über das Climate Chance Center Austria mitmachen, arbeiten ehrenamtlich.

Worum geht’s? Die Sensibilisierung für die Klimakrise soll bereits in den Klassen beginnen – konkret in jenen ab der Sekundarstufe eins. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass sie bei Jugendlichen die größten und nachhaltigsten Effekte erzielen. Für die Altersstufen darunter hat man derzeit schlicht und einfach zu wenig Kapazitäten. Deshalb fußt das ganze Vorhaben auch auf einer Peer-to-peer-Methode. Studierende werden in Vorlesungen – etwa an den Unis für Bodenkultur – für ihre Vermittlungsarbeit an den Schulen vorbereitet. Dort begleiten sie die Klassen über einen längeren Zeitraum bei allen Fragen, die sich im Lauf eines Klimaprojekts ergeben. Kromp-Kolb sagt, vielleicht nicht ganz passend, so wolle man "zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen".

Wenig Bezug zu Natur

Für motivierte Schulleitungen im Angebot: das Erstellen einer CO2-Bilanz, deren Umsetzung Schülerinnen und Schüler koordinieren sollen. Oder Unterrichtsprojekte, die sich mit Artenvielfalt, Mobilitätskonzepten, oder Alternativen zum Konsumzwang beschäftigen. Auch "Klimawochen" und Exkursionen sind angedacht. "Gerade in Wien haben viele keinen Bezug zur Natur mehr. Es wäre gut zu sehen, wie eigentlich ein Apfel entsteht oder wie Landwirtschaft nachhaltig sein kann", sagt auch Vincent S.

Kromp-Kolb will auf diese Weise in Sachen Klimaschutz breitenwirksam werden: "Das soll kein reines Schulprojekt sein, das soll auch in der Gemeinde greifen" – etwa durch Druck auf die Lokalpolitik oder das Einbeziehen regionaler Betriebe bei der Transformation des Schulalltags. Mit Projekten soll es nicht getan sein: "Wir wollen messen, wie wirksam das ist, was wir da machen, also: Hat sich am Lebensstil der Jugendlichen und ihrer Familien etwas geändert?" Weil die Selbsteinschätzung hier oft trügerisch ist, sind die Forscher noch am Adaptieren geeigneter Evaluationsverfahren. Für Kromp-Kolb steht fest: "Wir haben keine Zeit, etwas Ineffizientes zu machen." Wichtig für den Projekterfolg sei die Vorbildwirkung der Schulleitungen.

Wer starten will, kann bereits beginnen: Zwei Tage dauert die Einschulung der Jugendlichen, damit sie an ihrer Schule eine CO2-Bilanz erstellen zu können. Wirklich losgehen soll es dann ab Herbst. Schulen, die bis dahin bereits den Ist-Zustand erhoben haben, können gleich konkrete Projekte zur Verbesserung ihrer Klimasituation umsetzen.(Oona Kroisleitner, Peter Mayr, Karin Riss, 24.2.2020)