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Die Beschaffung ökologischerer Fahrzeuge aus Klimaschutzgründen wäre schon nach jetziger Rechtslage kein Problem.

Foto: Getty Images / Henrik Sorensen

Die neue Bundesregierung will das Vergaberecht als "wichtiges Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels" nutzen. Tatsächlich hat der Staat als Auftraggeber nicht nur Vorbildfunktion, sondern kann mit seinem Einkaufsverhalten maßgebliche Steuerungseffekte erzielen.

Das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand beträgt immerhin mehr als 60 Mrd. Euro pro Jahr. Schon nach derzeitiger Rechtslage können Auftraggeber klimafreundliche Akzente setzen (teilweise müssen sie dies bereits).

Der vorgesehene vollständige Umstieg auf emissionsfrei betriebene Fahrzeuge bedürfte somit keiner Gesetzesänderung, sondern könnte durch entsprechend formulierte Ausschreibungen umgesetzt werden.

Die Regierung möchte aber offenbar nicht nur in ihrem unmittelbaren Verantwortungsbereich grüne Farbe bekennen, sondern allen öffentlichen Auftraggebern – auch Ländern, Gemeinden und hunderten ausgegliederten Rechtsträgern – klimaschonende Beschaffungen vorschreiben.

Folgende Ankündigungen finden sich im Regierungsprogramm:

  • Klima
    Auftragsvergaben sollen nach verbindlichen ökosozialen Vergabekriterien erfolgen. Die "Umwelt- und Gesundheitsvorteile" von Leistungen sollen entscheiden, etwa durch Messung der Lebenszykluskosten (TCO). Konkreter wird es nur bei Fahrzeugen, wo möglichst bereits ab 2022 nur mehr emissionsfrei betriebene Fahrzeuge durch die öffentliche Hand beschafft werden.
    Ökosoziale Kriterien sind nicht nur im Sinne von Mindeststandards vorgesehen, sondern primär durch eine neuerliche Stärkung des sogenannten Bestbieterprinzips ("Paradigmenwechsel vom Billigstbieter zum Bestbieter"). Als Schlagwort soll dies offenbar auch bei der mittlerweile dritten Bestbieternovelle seit 2016 gut klingen. In der Praxis kann es einen erheblichen Mehraufwand bedeuten, die Qualitätsabstufungen unterschiedlicher Leistungen nach ökologischen Kriterien zu gewichten. Der deutlich einfacher zu ermittelnde "Billigstbieter" bleibt beim Gesetzgeber unbeliebt, auch wenn er noch so hohen MindestStandards genügen muss.
  • Stärkung der Regionalität
    Dies wird mehrfach hervorgehoben, wobei auch hier konkrete Maßnahmen offen sind und das Unionsrecht dem Gesetzgeber enge Grenzen setzt. Die Förderung regionaler Anbieter kann nämlich eine Benachteiligung von Unternehmern aus anderen Mitgliedsstaaten bedeuten und damit die Stoßrichtung des EU-Diskriminierungsverbots konterkarieren. Ökologisch messbare Kriterien (z. B. CO2-Fußabdruck) sind aber sehr wohl denkbar. Auch die Schlechterstellung von Bietern/Produkten aus Drittstaaten ist zulässig und wird im Regierungsprogramm ausdrücklich als Maßnahme erwähnt.
  • Transparenz
    Ganz im Sinne des gläsernen Staats sollen Auftraggeber Verträge ab einem bestimmten Schwellenwert der Öffentlichkeit zugänglich machen. Dabei wird die Auflösung des Spannungsverhältnisses Informationsbedürfnis einzelner Unternehmer einerseits und Wahrung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse von Auftraggebern und Auftragnehmern andererseits eines Höchstmaßes an juristischer Raffinesse bedürfen.
  • Vereinfachungen
    Im Regierungsprogramm ist von einem nicht näher beschriebenen Bürokratieabbau im Vergabeverfahren die Rede. Darüber hinaus sollen die rechtlichen Voraussetzungen für eine vereinfachte und raschere Beschaffung in Krisen- und Katastrophenfällen geschaffen werden – eine Maßnahme, die Auftraggeber in Zeiten globaler Katastrophenfälle wie des Coronavirus sehr begrüßen. Bemerkenswerterweise soll auch eine Erhöhung der Betragsgrenze für sogenannte Direktvergaben (derzeit 100.000 Euro) geprüft werden.

Diese Auftragsvergaben ohne vorgelagertes Vergabeverfahren, die weniger transparent sind und die Rechtsschutzmöglichkeiten interessierter Unternehmer weitestgehend ausschließen, werden damit attraktiver gemacht.

Bereits jetzt erfolgt ein großer Teil aller öffentlichen Auftragsvergaben durch Direktvergaben. In welchem Ausmaß die Direktvergabeschwelle angehoben werden könnte, lässt das Regierungsprogramm offen. Der Spielraum des Gesetzgebers für die Umsetzung der Erleichterungen ist aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben jedenfalls beschränkt. (Sebastian Feuchtmüller, 24.2.2020)