Sebastian Prödl hat Probleme. In Norditalien spricht man derzeit mehr über das Coronavirus als über Fußball. Außerdem leidet der 32-jährige Verteidiger an einem Knochenmarksödem, der Heilungsverlauf ist ungewiss. Dennoch soll Udine Calcio die dritte erfolgreiche Auslandsstation des Steirers werden.

STANDARD: Sie haben am 19. September 2016 auf Facebook geschrieben: "A date to remember." Können Sie sich noch erinnern?

Prödl: Helfen Sie mir. Meine Vertragsverlängerung?

STANDARD: Nein. Sie wurden bei Watfords erstem Sieg über Manchester United seit 30 Jahren zum Man of the Match gewählt. Sie haben Zlatan Ibrahimovic abmontiert.

Prödl: Es ist auf jeden Fall ein "date to remember". Rooney hat noch gespielt, Pogba wurde gerade verpflichtet, es war eigentlich nur die Frage, wie hoch sie gewinnen würden. Wir haben unglaublich gefightet, hätten sogar noch höher gewinnen können.

STANDARD: Ihre Leistung wurde auch als Performance of the Year ausgezeichnet.

Prödl: Es war auf sehr hohem Niveau. Da waren ein paar dankbare Tackles gegen Ibrahimovic dabei.

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Ein paar "dankbare Tackles gegen Ibrahimovic" brachten Sebastian Prödl die Performance of the Year.
Foto: REUTERS/Couldridge

STANDARD: Wie war es zuletzt in Watford? Sie haben nicht mehr oft gespielt.

Prödl: Die letzte Zeit war nicht einfach. Ausgangspunkt war eine Verletzung und die Akzeptanz meinem Körper gegenüber, dass es nicht mehr geht, jeden Tag Vollgas zu geben. Ich wollte um jeden Preis wieder in die Mannschaft, und mein Ehrgeiz hat mehr Probleme verursacht als Lösungen gebracht. Außerdem war da ein Trainer, der nicht auf mich gebaut hat. Das war ein gefährlicher Mix. Ein Teufelskreis. Die Situation würde ich lieber missen, die Erfahrungen nehme ich aber gerne mit.

STANDARD: Wenn man Großbritannien sagt, muss man auch über den Brexit reden. Sollen wir?

Prödl: Es tut mir sehr leid für die Briten, dass ich das in meiner Zeit in London nicht lösen konnte. Ich habe mich sehr bemüht, aber es ist mir nicht gelungen.

STANDARD: Schwach.

Prödl: Ja, das ist das Einzige, das ich mir vorwerfen kann in England. Aber im Ernst: Es war ein extremes Hin und Her. Am Anfang ein leidiges Thema und zum Schluss nur mehr ein nerviges. Man hat die Ratlosigkeit in England und in Europa nicht mehr vertuschen können.

STANDARD: Marc Janko wurde nach Karriereende auch immer wieder fernab des Fußballs befragt. Sollten Fußballer mit ihrer Meinung exponierter sein?

Prödl: Es ist natürlich gut, wenn man eine eigene Meinung hat. In welche Richtung sie auch immer geht. Und es ist auch wichtig, dass man sie kundtut. Wenn Marc etwas sagt, dann merkt man, dass das vorbereitet und überlegt ist und wirklich seine Meinung widerspiegelt. Wenn er damit Spannungen erzeugt und die Leute darüber reden, dann ist das sinnvoll.

STANDARD: Die vergangenen Jahre waren auch innenpolitisch turbulent. Als Nationalspieler ist man immer irgendwie Aushängeschild.

Prödl: Wir brauchen hier nicht um den heißen Brei herumreden: Es gab in den letzten Jahren politisch einige Probleme in Österreich. Und es haben sicher nicht alle aktuellen Nationalspieler die politische Meinung des ehemaligen Sportministers geteilt. Es ist dann auch okay, wenn man sich nicht äußert und für sich seine eigenen Schlüsse zieht.

STANDARD: Für viele wirken Profifußballer wie Aliens. Leben Sie in einer Parallelgesellschaft?

Prödl: Ich glaube, viele wollen uns so sehen. Und sind dann überrascht, dass wir ganz normal sind, wenn man uns näher kennenlernt. Ein entscheidender Faktor sind natürlich die finanziellen Strukturen im Fußball. Die Blase, in der Profis leben, ist schwer greifbar.

Die Serie A im Blickfeld.
Foto: APA/Scheriau

STANDARD: Aber nehmen wir die Kicker, die sich vor einem Match einen Starfriseur einfliegen lassen. Ist das nicht extrem abgehoben und dekadent?

Prödl: Diese Friseurtermine gibt es schon, seit ich Fußballer bin. Und es wird doch erst zum Thema, wenn die Mannschaft dann verliert. Natürlich ist heute alles durch Social Media viel öffentlicher. Aber solche Themen werden aufgebauscht. Ich habe selbst nie an solchen Aktionen teilgenommen, weil ich nicht gerne die gleiche Frisur habe wie die anderen.

STANDARD: Sind die Medien daran schuld, die auf solche Themen nur zu gerne aufspringen?

Prödl: Nicht nur die Medien. Man vergisst gerne, dass Fußball ein riesiger Wirtschaftsfaktor ist. Nehmen wir wieder die Frisuren: Viele gehen nicht alle zwei Monate zum Friseur, das sind Frisuren, die man alle zehn Tage nachtrimmen muss. Dann erscheint ein Bild in den Medien und die jungen Burschen wollen genau so eine Frisur haben. Mit den bunten Fußballschuhen verhält es sich ähnlich. Für Eltern ist das eine Katastrophe, wenn sie den Kids jede Woche einen neuen bunten Schuh kaufen müssen.

STANDARD: Wenn Sie fußballerisch etwas an sich ändern könnten, was wäre das?

Prödl: Ich habe schon ein gewisses Talent, bin aber eher der Arbeiter-Typ. Ich habe mir meine Träume durch harte Arbeit, Verzicht und Disziplin ermöglicht und damit wohl das Maximum rausgeholt. Aber vielleicht hätte mir ein bisschen Drecksack-Mentalität auf dem Platz nicht schlechtgetan. Ein bisschen mehr Sergio Ramos. Aber das war ich nie und werde ich wohl auch nie werden.

STANDARD: Ein Fan hat Ihr Watford-Abschiedsposting so kommentiert: "Komm nach Hause Schwoazer". War eine Rückkehr zum SK Sturm eine Option?

Prödl: Ich war in den letzten Jahren immer wieder im Austausch mit Sturm Graz. Es waren gute Gespräche, ging aber nie soweit, dass wir konkret über einen Vertrag geredet haben.

STANDARD: Jetzt also Italien. Warum setzen sich so wenige Österreicher in der Serie A durch?

Prödl: Bei mir gab es schon vor meinem Wechsel zu Werder die Möglichkeit, nach Italien zu gehen. Aber ich habe mich bewusst für Deutschland entschieden. Erstens wollte ich zu einem größeren Klub, und das war Bremen damals. Und zweitens kann man sich mit 20 in Deutschland viel leichter anpassen. Es gab so viele neue Faktoren, auf die ich mich einstellen musste, da wollte ich nicht auch noch die Sprache als Barriere haben.

STANDARD: Valentino Lazaro wurde nach einer halben Saison bei Inter verliehen. Ist er gescheitert?

Prödl: Ich würde nicht sagen, dass er gescheitert ist. Vielleicht waren die Schuhe ein bisschen zu groß, denn bei Inter herrscht ja ein Riesenkonkurrenzkampf. Aber wenn man die Chance bekommt, dort zu spielen, muss man es versuchen. Die Spiele, die ich von ihm gesehen habe, waren gut.

STANDARD: Immer wieder kommt es im Italiens Fußball zu rassistischen Vorfällen. Ist das ein Thema unter den Spielern?

Prödl: Es hat sich schon deutlich gebessert. Man darf sich nicht von einzelnen Idioten blenden lassen. Die werden mittlerweile selbst auf den Tribünen ausgebuht. Unter uns Spielern ist es überhaupt kein Thema. Bei Watford war ein spannender Mix aus vielen Kulturen. Man kann sich so viel abschauen und profitieren. (Andreas Hagenauer, 24.2.2020)