Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einem Pressegespräch im Gesundheitsministerium zum Coronavirus.

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Zum Krisentreffen bezüglich des Coronavirus kam auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

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"Corona ist in Europa angekommen", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Angesichts erster Todesopfer in Italien und der Ausbreitung des Sars-CoV-2 Virus in mehreren europäischen Ländern handle es sich nicht mehr um eine rein regionale Epidemie in China. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach am Montag von einer "möglichen Pandemie". Man arbeite nun intensiv daran, eine globale Ausbreitung zu verhindern, sagte Anschober.

Unterdessen wurde am Montagabend der erste Fall in Südtirol bekannt. Ein junger Mann, der beim ersten Versuch negativ getestet worden war, wies bei einem zweiten Test ein positives Ergebnis auf, berichtete das Südtiroler Nachrichtenportal "stol.it". Beim Mann dürfte es sich um die neunte in Südtirol kontrollierte Person handeln, bei der sich wie bei den anderen der Verdacht zunächst nicht bestätigt hatte. Der infizierte Mann soll keine Krankheitssymptome aufweisen.

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"Weltweiten Alptraum" verhindern

UN-Generalsekretär Antonio Guterres ruft zu einem entschlossenen Kampf gegen Corona auf. Es gelte, dramatische Konsequenzen für die Gesundheit der Menschen und die Wirtschaft weltweit zu verhindern, sagt er am Montag bei einem Besuch der WHO in Genf. Dafür müssten die von der WHO für die Bekämpfung von Corona geforderten Mittel in Höhe von 675 Millionen Dollar (624,94 Mio. Euro) vollständig bereitgestellt werden. Nur so könnten die Regierungen dafür sorgen, dass die Krankheit nicht zu einem "weltweiten Alptraum" werde.

Die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus ist für Europäer nach EU-Einschätzung derzeit "niedrig bis moderat". Alle bisher berichteten Fälle in der Europäischen Union hätten klare epidemiologische Verbindungen, erklärte das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) am Montag. Man habe Maßnahmen ergriffen, um die weitere Ausbreitung zu begrenzen. In Norditalien habe das Gesundheitswesen außerordentliche Schritte unternommen, um den Ausbruch des Virus einzudämmen.

Anschober trifft Gesundheitsminister

Um die weitere Vorgehensweise auf europäischer Ebene zu besprechen, werde sich Anschober am Dienstag mit den Gesundheitsministern von Italien, Frankreich, Slowenien und der Schweiz in Rom treffen, kündigte er an. Für Österreich sei es nun wichtig, sich auch auf den konkreten Fall eines Krankheitsausbruchs hierzulande vorzubereiten. Erste Maßnahmen dazu stellte Bundeskanzler Kurz vor.

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Fünf erste Maßnahmen

"Es besteht kein Grund zur Panik, aber natürlich braucht es einen realistischen Blick auf die Dinge", sagte Kurz. Man könne nicht davon ausgehen, dass das Coronavirus einen Bogen um Österreich machen werde, daher seien bei einer Tagung des zuständigen Einsatzstabes des Innenministeriums am Montag fünf erste Maßnahmen beschlossen worden.

Erstens würden ab Montag täglich Berichte an den Bundeskanzler sowie an die Bevölkerung ergehen. Zweitens soll am Donnerstag ein Treffen der Landeshauptleute stattfinden, um die Zusammenarbeit auf Länderebene detaillierter abzustimmen. Am Freitag soll dann der Nationale Sicherheitsrat zusammentreten, an dem auch die Opposition teilnimmt. Drittens soll eine Informationskampagne durch das Innen- und Gesundheitsministerium gestartet werden, und viertens werde das Außenministerium punktuelle Reisewarnungen für betroffene Gebiete aussprechen. Als letzten Punkt kündigte Kurz an, dass die Warnketten mit Nachbarländern noch enger geknüpft werden sollen, um bei Verdachtsfällen sofortige Grenzstopps veranlassen zu können, wie am Sonntag im Fall eines Zuges, der an der österreichisch-italienischen Grenze gestoppt worden ist.

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Das österreichische Außenministerium hat am Montag eine partielle Reisewarnung für einzelne Gemeinden in der Lombardei und in Venetien ausgesprochen. Demnach wird von Reisen in die Gemeinden Vo Euganeo, Codogno, Castiglione d'Adda, Casalpusterlengo, Fombio, Maleo, Somaglia, Bertonico, Terranova dei Passerini, Castelgerundo und San Fiorano abgeraten. Ebenfalls abgeraten wird von Reisen in die südkoreanische Stadt Daegu und Umgebung.

Empfehlung: Mehr Hygiene und Infohotline

Für Österreich seien nun die kommenden zwei bis drei Wochen ausschlaggebend, ob ein Ausbruch der Krankheit verhindert werden kann oder nicht, sagte Anschober. Man sei deshalb bestrebt, "einen ganz klaren Ablauf für den Fall eines Krankheitsausbruchs" auszuarbeiten. Jeder Bezirkshauptmann solle wissen, was in einer entsprechenden Situation zu tun ist.

Bürgerinnen und Bürgern empfahl Anschober einmal mehr verstärkte Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen. Wer bei sich Symptome wie hohes Fieber oder Atembeschwerden beobachte, solle sich umgehend an einen Arzt oder die Gesundheitshotline 1450 wenden und zu Hause bleiben. Alternativ kann man sich auch an die Infohotline der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) unter der Nummer 0800 555 621 wenden. Diese wird ab Dienstag auch 24 Stunden zur Verfügung stehen.

Zug in München angekommen

Der Zug, der in der Nacht auf Montag aus Furcht vor dem Coronavirus auf dem Brenner gestoppt worden war, kam Montagmorgen mit mehrstündiger Verspätung in München an. Zahlreiche Passagiere – vereinzelt mit Gesichtsmasken – verließen den aus Venedig eingetroffenen Eurocity auf dem Münchner Hauptbahnhof.

Zwei Fahrgäste mit Husten und Fieber hatten den Zug und damit den gesamten Zugverkehr auf dem Brenner für vier Stunden zum Stillstand gebracht. Die italienische Bahn meldete den Coronavirus-Verdachtsfall der ÖBB. Diese schaltete das österreichische Innenministerium ein – und der zuständige Bezirkshauptmann des Bezirks Innsbruck-Land stoppte daraufhin den Zug per Bescheid.

Die beiden Fahrgäste hatten den Zug bereits in Verona verlassen und wurden dort negativ auf das Sars-CoV-2-Virus getestet. Bis aber das Innenministerium Entwarnung gab, saßen 500 Passagiere aus zwei Zügen am späten Sonntagabend im italienischen Grenzbahnhof auf dem Brenner fest. Um 23.30 Uhr ging die Reise weiter. Bei allen Passagieren, die in Österreich ausstiegen, sollten Identitätsfeststellungen vorgenommen werden, erklärte das Innenministerium. In München durften die Passagiere bei der Ankunft hingegen unkontrolliert den Bahnhof verlassen.

Am Montag waren die Bahnverbindungen zwischen Italien und Österreich wieder frei befahrbar. Laut ÖBB gibt es täglich rund 20 Züge über den Brenner oder Tarvis nach Italien. Dazu kommen tägliche Intercity-Busse nach Triest und Venedig. Tickets von und nach Italien können bis einschließlich 26. Februar kostenlos storniert werden, sagte ÖBB-Sprecherin Juliane Pamme.

"Kein Grund zur Unruhe" in Kärnten

Im grenznahen Kärntner Hermagor ist Bürgermeister Siegfried Ronacher angesichts der neuen Coronavirus-Fälle in Italien noch recht gelassen. "Bei uns sind alle pumperlgesund", sagt Ronacher. "Nein, im Ernst, bei uns ist es sehr ruhig. Es gibt keinen Grund zur Unruhe. Wir sind natürlich mit der Bezirkshauptmannschaft ständig in Kontakt, und ich hoffe, dass wir das bald durchtaucht haben."

Die WHO hat zwar den internationalen Notstand ausgerufen, das neuartige Virus ist allerdings deutlich weniger gefährlich als ähnliche Viren. Europäer müssen sich nicht fürchten, sagen Experten. Ein STANDARD-Erklärvideo.
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In Kärnten würden "alle Eventualitäten durchgespielt, wir stehen in direktem und ständigem Kontakt mit allen wichtigen Stellen in Italien", heißt es aus dem Büro von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), der am Montag bei seinem Brüssel-Aufenthalt auch mit seinen Kollegen aus Friaul die Lage bespreche. Seit Sonntag sei die Situation in Kärnten stabil, es seien keine neuen Entwicklungen zu beobachten. Aus der Bevölkerung kämen natürlich immer wieder besorgte Anrufe, etwa mit Fragen, "ob man den Salat, der in Tarvis gekauft worden ist, essen kann".

61 österreichische Krankenhausmitarbeiter in Quarantäne

Elf Mitarbeiter des Landeskrankenhauses Weststeiermark, die am Wochenende den Karneval in Venedig besucht haben, sind mittlerweile als Vorsichtsmaßnahme in häuslicher Quarantäne. Die Mitarbeiter müssen zwölf Tage zu Hause bleiben. "Ich treffe lieber die präventiv richtige Entscheidung, die sich vielleicht im nachhinein als die falsche herausstellt. Ob wir mit unseren Maßnahmen insgesamt zu vorsichtig waren, wissen wir ohnedies erst in einem halben Jahr", sagte Klaus Vander, Direktor des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie, der die Quarantäne in Auftrag gegeben hat.

Am Universitätsklinikum St. Pölten sind seit Montag ebenfalls 50 Mitarbeiter vorübergehend außer Dienst. Auch sie hatten den Karneval in Venedig besucht. Es handle sich um eine "reine Sicherheitsmaßnahme", sagte ein Sprecher der Landeskliniken-Holding.

Neue chinesische Studie

In Österreich hat der Ausbruch des Virus in Italien für einen erhöhten Informationswunsch der Bevölkerung gesorgt. Seit 8. Februar gab es bei der Gesundheitshotline 1450 insgesamt 4.585 Anrufe, 28 davon zum Thema Coronavirus. Am Sonntag gab es dazu allein zwölf Anrufe, "angesichts der Gesamtzahl von 28 ein recht hoher Wert", heißt es vom Fonds Soziales Wien. Zuvor gab Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bekannt, dass für den Bedarfsfall zwei Kompanien der ABC-Abwehrschule des Bundesheers bereitstehen und sich auf einen allfälligen Einsatz vorbereiten.

An der Lungenkrankheit Covid-19 starben in China bisher mehr als 2.500 Menschen, die meisten davon in Wuhan. In der Volksrepublik sind mehr als 77.000 Menschen mit dem Virus infiziert. Auch in mindestens zwei Dutzend anderen Ländern gibt es Erkrankungs- und Todesfälle. Am Montag wurden erste Infektionen aus dem Irak, Kuwait, Bahrain und Afghanistan gemeldet.

Laut einer von Anschober erwähnten neuen chinesischen Erhebung der ersten rund 45.000 Coronavirus-Fälle wiesen 81 Prozent der Erkrankten einen leichten, 14 einen schweren und fünf Prozent einen lebensgefährlichen Krankheitsverlauf auf. Als leicht gelten demnach Erkrankungen "mit keiner oder nur leichter Lungenentzündung", als schwer Fälle "mit hoher Atemfrequenz, Kurzatmigkeit und Sauerstoffsättigung des Blutes unter 93 Prozent", als lebensgefährlich Erkrankungen mit "Sepsis, Ateminsuffizienz und/oder Multiorganversagen". (red, APA, 24.2.2020)