Passanten sind in Norditalien derzeit oft mit Schutzmasken anzutreffen.

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Eine Touristin in Venedig.

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Mailand – Die Coronavirus-Epidemie in Norditalien hat am Montag das fünfte Todesopfer gefordert. Der 80-Jährige aus der lombardischen Ortschaft Castiglione d'Adda starb im Krankenhaus Sacco in Mailand, teilten die lombardischen Gesundheitsbehörden mit. Der Mann war am Donnerstag wegen eines Herzinfarkts ins Krankenhaus eingeliefert worden und anschließend positiv auf das Coronavirus getestet worden.

Zuvor war der Tod eines 88-Jährigen in Caselle Landi, ebefalls in der Lombardei, und eines 84-Jährigen im Krankenhaus von Bergamo gemeldet worden. Zivilschutzchef Angelo Borrelli versicherte, dass Italien trotz der Infektionsfälle ein sicheres Land sei: "Man kann unbesorgt nach Italien reisen."

Das österreichische Außenministerium hat jedoch am Montag eine partielle Reisewarnung für einzelne Gemeinden in der Lombardei und Venetien ausgesprochen. Demnach wird von Reisen in die Gemeinden Vo Euganeo, Codogno, Castiglione d'Adda, Casalpusterlengo, Fombio, Maleo, Somaglia, Bertonico, Terranova dei Passerini, Castelgerundo und San Fiorano abgeraten. Ebenfalls abgeraten wird von Reisen in die südkoreanische Stadt Daegu und Umgebung.

Rund vier Stunden musste die Bahn auf ihrem Weg nach München auf dem Brenner stehen bleiben. Der Grund: Zwei Fahrgäste zeigten Symptome des Coronavirus.
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230 Infizierte in Italien

Das öffentliche Leben stand am Montag in vielen Gegenden Norditaliens wegen des Coronavirus-Ausbruchs praktisch still. Die Zahl der Infizierten lag am Montag bei 230, damit ist Italien das Land mit der höchsten Zahl bestätigter Erkrankungen in Europa. Die meisten gibt es in der Lombardei, wo zehn Gemeinden in der Provinz Lodi zu Sperrzonen erklärt wurden. Sie liegen in der Nähe von Mailand, der zweitgrößten Stadt und dem Finanzzentrum des Landes. In Venetien wurde die Gemeinde Vo abgeriegelt. Schulen, Universitäten und Museen bleiben geschlossen. Auch der Karneval von Venedig, der bis Dienstag dauern sollte, wurde vorzeitig beendet. Fünf infizierte Menschen kamen bisher in Italien ums Leben.

Unter den Menschen ging die Angst um. Medien zeigten Fotos von Supermärkten in Mailand mit leergeräumten Regalen und langen Schlangen an den Kassen.

Ein ORF-Bericht zur Lage in Italien.
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38-Jähriger erkrankt

In Italien hat sich das Virus vermutlich von Codogno, einer Kleinstadt in der Nähe von Mailand, ausgebreitet. Dort wurde der erste bekannte Patient in der Lombardei, ein 38-jähriger Mann, behandelt. Nach Erkenntnissen der Gesundheitsbehörden hatten alle positiv Getesteten am 18. oder 19. Februar Kontakt mit der Notaufnahme und dem Krankenhaus in Codogno. Der 38-Jährige sei erkrankt, nachdem er einen Freund getroffen habe, der nach China gereist war. Dieser sei selbst aber negativ getestet worden.

Vom Mailänder Dom bis zur Markusbasilika in Venedig, von der Scala bis zum Fenice-Theater: Aus Sorge vor einer Ausbreitung der Epidemie schließt Norditalien seine Denkmäler und Kulturzentren. Um die rasante Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen, zwingt sich der breite Raum zwischen der Lombardei und Venetien zur Quarantäne.

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Betroffen sind in erster Linie öffentliche und Kulturveranstaltungen. Das Fenice-Theater und die Museen in Venedig bleiben am Montag geschlossen. Alle Veranstaltungen zum Fasching, der am Dienstag zu Ende geht, wurden abgesagt. Die Markusbasilika wird geschlossen. Trauerfeiern und Hochzeiten werden nur im engsten Kreis der Familienangehörigen begangen.

Große Desinfizierungsaktion in Venedig

Die Vaporetti, die Wasserbusse Venedigs, werden einer großen Desinfizierungsaktion unterzogen. Für die Hoteliers in Venedig, die bereits die gravierenden Auswirkungen des Hochwassers im Herbst zu spüren bekamen, sind das vorzeitige Ende des Karnevals und die Museumsschließungen eine weitere Hiobsbotschaft.

In Mailand werden Touristen am Montag und Dienstag den Dom nicht besichtigen können. Nur ein Flügel der gotischen Kathedrale soll für Gläubige offen bleiben, die beten wollen. Messen wurden abgesagt, sie dürfen aus Sorge vor einer Ausbreitung des Virus diese Woche in der gesamten Lombardei nicht gefeiert werden.

Auch die Mailänder Kultur wird diese Woche eine Pause einlegen. Wegen der Ausbreitungsgefahr des Coronavirus streicht die Scala ihre Aufführungen. Das gelte, bis die Behörden weitere Anweisungen geben, teilte das Opernhaus am Sonntag mit. Am 1. März beginnt das Mandat von Intendant Dominique Meyer, der von der Wiener Staatsoper zur Scala wechselt. Geschlossen wurde auch die Pinakothek Brera.

Die Coronavirus-Epidemie beeinträchtigt auch das soziale Leben. In Mailand bleiben Lokale von 18 bis 6 Uhr geschlossen, betroffen sind damit vor allem Diskotheken, Bars und Pubs. Geschlossen sind in ganz Norditalien vom Piemont bis zur Emilia-Romagna auch Schulen und Universitäten.

EU-Kommission begrüßt italienische Maßnahmen

Die EU-Kommission hat die Schritte Italiens zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus begrüßt. Die italienische Regierung habe schnell gehandelt und "wirksame Strukturen, um in gut abgestimmter Weise auf diesen Ausbruch zu reagieren", sagte der für Krisenkoordination zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic am Montag in Brüssel.

Kurz kündigte Info-Offensive und Reisewarnung an.
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Er kündigte die Freigabe von 232 Millionen Euro an, um den weltweiten Kampf gegen den Virus zu verstärken. Mit Blick auf mögliche Grenzkontrollen zur Eindämmung der Krankheit im Schengenraum sagte Lenarcic, dies liege in der Kompetenz und Entscheidung der einzelnen Mitgliedstaaten. Er forderte die Regierungen aber auf, alle Entscheidungen zum Kampf gegen den Virus auf Grundlage "einer glaubwürdigen Risikobewertung" zu treffen sowie verhältnismäßig und abgestimmt zu handeln.

Erste Maßnahmen in Griechenland

Nun hat auch Griechenland erste Maßnahmen getroffen. So werden seit Montagfrüh die Besatzungen von Fähren, die zwischen Italien und Griechenland pendeln, informiert, welche vorbeugenden Maßnahmen getroffen werden müssen, damit Verdachtsfälle rasch isoliert werden.

Bereits am Vorabend hatte die Regierung alle Klassenfahrten nach Italien verboten. Die Schüler von zehn Schulen, die sich derzeit in Italien befinden, sollten umgehend zurückkehren, teilte das Bildungsministerium mit. "Wir treffen alle diese Maßnahmen vorbeugend. Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung", erklärte Bildungsministerin Niki Kerameos am Montagmorgen. In Griechenland sind bisher keine Coronavirusfälle erfasst. (APA, Reuters, 24.2.2020)