Das Erforschen von Medikamenten folgt ganz klaren Regeln. Im letzten Entwicklungsschritt einer klinischen Studie müssen neue Therapien ihre überlegene Wirksamkeit gegenüber Placebos oder anderen Arzneimitteln beweisen. Anschließend sollten die Ergebnisse veröffentlicht werden. Nur so kann es medizinischen Fortschritt geben, und Ärzte können auf dem aktuellen Stand der Forschung bleiben.

Um die Transparenz von Studienergebnissen zu erhöhen, hat die EU im Jahr 2014 beschlossen, dass Sponsoren klinischer Medikamentenstudien wie Universitäten, Krankenhäuser oder Pharmaunternehmen sämtliche Ergebnisse innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Studie in die europaweite Datenbank Eudra CT hochladen müssen. Da das Register bereits zehn Jahre vorher eingeführt wurde, sind alle Studien rückwirkend bis 2004 zu erfassen. Wer das nicht tut, dem drohen meist keine Konsequenzen. Das fördert nicht gerade die Veröffentlichungsquote, wie ein aktueller Bericht von Transparimed, Cochrane Österreich und Transparency Austria zeigt. Zumindest im deutschsprachigen Raum der EU ist das so.

Den Patienten verpflichtet sein

Die Ergebnisse, die dem STANDARD bereits vor der Veröffentlichung des Reports zur Verfügung gestellt wurden, sind ernüchternd. In Österreich werden lediglich die Ergebnisse von 18,3 Prozent der Studien in die EU-Datenbank hochgeladen. Nur Deutschland schneidet mit einer Quote von 6,7 Prozent noch schlechter ab. "Das verstößt nicht nur gegen die Regeln der wissenschaftlichen Integrität, sondern ist auch unverantwortlich gegenüber den Patientinnen und Patienten, die an den Studien teilgenommen haben", kritisieren die Autoren des Berichts.

Im Vergleich dazu haben andere Länder in Sachen Transparenz deutlich weniger Nachholbedarf. In Europa liegen im Schnitt für 63 Prozent der Studien die Ergebnisse im EudraCT vor, in Großbritannien sind es 72 Prozent, in Irland sogar über 80 Prozent. In Großbritannien wuchs die Veröffentlichungsdisziplin allerdings erst, nachdem ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Druck ausgeübt hatte, sagt Till Bruckner, Leiter von Transparimed (siehe Interview am Ende des Artikels).

Nur wenn alle Ergebnisse klinischer Studien veröffentlicht werden, können Ärzte und Patienten die bestmögliche Therapieentscheidung treffen.
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Insgesamt berücksichtigten die Forscher für ihre Österreich-Analyse 693 klinische Studien. Davon waren 334 Untersuchungen nachweislich vor mehr als einem Jahr abgeschlossen, die Ergebnisse müssten also in der Datenbank zu finden sein. Das traf allerdings nur auf 61 Studien zu, die anderen 273 fälligen Berichte waren nicht im Register enthalten. Besonders niedrig sind die Veröffentlichungszahlen der Med-Uni Wien, die nur für 26 Studien von insgesamt 202 fälligen Studien die Ergebnisse veröffentlicht hat. Das entspricht einer Quote von 13 Prozent. Mit jeweils 20 Prozent fällt die Bilanz der beiden anderen medizinischen Universitäten in Graz und Innsbruck ebenfalls bescheiden aus.

Wichtige Informationen fehlen

"EudraCT ist absolut nicht benutzerfreundlich, insbesondere für ein akademisches Umfeld, in dem sich Forscher nur von Zeit zu Zeit mit dem System befassen. Die Handhabung ist nicht intuitiv, die Motivation der Forscher, Daten in EudraCT einzutragen, deshalb gering", heißt es in einer Stellungnahme der Med-Uni Wien. Diese Argumentation kann Barbara Nußbaumer-Streit, stellvertretende Direktorin von Cochrane Österreich, nicht nachvollziehen: "Es stimmt, das System ist verbesserungswürdig. Gemessen am immensen Aufwand, den die Durchführung einer klinischen Studie bedeutet, müsste das Hochladen der Ergebnisse aber zu schaffen sein." Die Expertin plädiert deshalb dafür, an den Unikliniken eine zentrale Stelle einzurichten, die darüber wacht, dass die Ergebnisse zeitgerecht verfügbar sind.

Durch eine lasche Veröffentlichungspraxis kommt es zu einer Schieflage zwischen dem, was an Wissen vorhanden wäre, und dem tatsächlichen Wissensstand von Ärzten und Wissenschaftern. Die in Studien gewonnenen Erkenntnisse können so nicht für gesundheitsrelevante und womöglich lebenswichtige Entscheidungen genutzt werden. "Das kann dazu führen, dass Patienten mit wirkungslosen Therapien behandelt werden, weil Ärzten relevante Informationen fehlen", warnt Nußbaumer-Streit.

Besser werden

Till Bruckner ist optimistisch, dass bei den Verantwortlichen bereits ein Umdenkprozess eingesetzt hat. So teilt etwa das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) mit, dass es den Dialog mit den Universitäten sucht. Auch die Med-Uni Wien gelobt Besserung. "Die internationalen Erfahrungen zeigen jedoch, dass es ohne "Sanktionen nicht gehen wird", resümiert Bruckner. (Günther Brandstetter, 25.2.2020)