Hat seine Abneigung gegen Pamela Rendi-Wagners Vertrauensfrage nur notdürftig kaschiert: Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig.

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Paul Stich warf sozusagen den ersten Stein. Die Sozialistische Jugend (SJ), sagt deren neuer Vorsitzender, werde SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bei der von ihr eingeleiteten Mitgliederbefragung nicht unterstützen. Die Jusos sind damit die erste sozialdemokratische Organisation, die das offen ausspricht.

Was Stich in der Presse ankündigte, argumentiert er auf Nachfrage mit der "aktuellen Performance" der Partei, die sich in miesen Umfragen widerspiegle. "Wir schaffen es nicht, inhaltlich in die Offensive zu gehen, dabei liegen die Themen auf der Straße", sagt Stich und meint damit die 35-Stunden-Woche oder Vermögenssteuern, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verkleinern. Die Mitgliederbefragung sei das Gegenteil des notwendigen Neustarts und biete inhaltlich nichts als "Suggestivfragen".

Keine Unterstützung bedeutet in diesem Fall die Höchststrafe. Die SJ will die Aktion nicht bloß boykottieren, erläutert Stich, sondern auf die Frage, ob Rendi-Wagner die SPÖ weiter anführen soll, eine eindeutige Antwort geben: "Wir werden mit Nein stimmen."

Keine hoffnungsfrohe Resonanz

Das heißt noch lange nicht, dass Rendi-Wagner scheitern muss. Die SJ ist zwar stark beim Mobilisieren, jedoch keine entscheidende Kraft in der SPÖ. Während die Partei insgesamt rund 170.000 Mitglieder hat, zählt die Jugendorganisation 10.000 Aktivisten – und auch die haben nicht alle ein rotes Parteibuch. Wer an der Befragung, die von 4. März bis 2. April stattfindet, teilnehmen will, muss aber bis spätestens 14. Februar SPÖ-Mitglied geworden sein.

Sind die Jusos mit ihrem Nein einmal mehr die überkritischen Außenseiter? Oder sprechen sie ungeniert aus, was längst auch die breite Masse der Genossen denkt? DER STANDARD hat sich in den großen roten Landesparteien umgehört. Was gut vernetzte Funktionäre unter der Bedingung der Anonymität berichten, bietet natürlich kein präzises und objektives Bild der Mehrheitsverhältnisse, aber doch aufschlussreiche Eindrücke von der Stimmungslage.

Die Resonanz ist für Rendi-Wagner alles andere als ermutigend. Statt die für die ÖVP unangenehmen Affären – Eurofighter, Justiz – auszuschlachten, beschäftige sich die SPÖ wieder einmal mit sich selbst: Dieses Argument ist von allen Seiten zu vernehmen – und manche Landesparteien haben noch Extragründe für Ärger.

Die Wiener fühlen sich in den Vorbereitungen für ihre Landtagswahl im Herbst gestört. Bürgermeister Michael Ludwig hat öffentlich kaum kaschiert, dass er Rendi-Wagners Aktion für schädlich hält, die Funktionäre haben dem Vernehmen nach in diversen Sitzungen noch viel strenger geurteilt. Überlieferter Tenor: "Wir rennen sicher nicht für Rendi-Wagners Befragung."

Angefressene Funktionäre

Das Gleiche ist aus der Steiermark zu vernehmen, wo bereits am 22. März eine Gemeinderatswahl ansteht. "Der Großteil der Funktionäre ist total angefressen", berichtet einer aus dem südöstlichen Bundesland, wo sich die Genossen "doppelt getroffen" fühlen: Aus der steirischen Binnensicht haben katastrophale Auftritte der Bundesspitze bereits die Landtagswahl im November verdorben.

Auch Niederösterreich gilt nicht als Hort von Rendi-Wagner-Unterstützern: Der dortige SPÖ-Chef Franz Schnabl hatte im Herbst sogar einen Umsturzversuch angezettelt. Nun, bei der Mitgliederbefragung, lautet die Linie: Einen Aufruf für Rendi-Wagner gibt es nicht, diese Entscheidung bleibe den mündigen Mitgliedern überlassen. Auch in Oberösterreich zeichnet sich kein großer Support für die Vorsitzende ab.

Das muss nicht heißen, dass Rendi-Wagner durchfällt. Wenn die Kritiker die Vertrauensfrage boykottieren, die Anhänger aber mit Ja stimmen, könnte die Chefin trotz allem eine klare Mehrheit schaffen – nur eben bei minimaler Beteiligung. (Gerald John, 25.2.2020)