Das Coronavirus hat die Börsen angesteckt. Die Ausbreitung in Europa sorgt für Unruhe an den Märkten. Vor allem Flug-, Banken- und Aktien aus der Luxusbranche kamen unter Druck.

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Lange haben sich die Börsianer vor dem Coronavirus nicht gefürchtet. Denn das Virus hatte sich vor allem im asiatischen Raum ausgebreitet, und an den Börsen wurde die Hoffnung auf eine Erholung der Weltwirtschaft gehandelt. Diese Hoffnung ist jetzt vorbei. Mit den stark steigenden Coronavirus-Fällen in Italien und jenen in Deutschland und Frankreich ist das Virus definitiv in Europa angekommen. Damit kommen die wirtschaftlichen Folgen näher.

Vor allem die rasche Ausbreitung in Italien sorgt an den Märkten für Unsicherheit, zumal man erstmals nicht sagen kann, wie das Virus ins Land kam. Hinzu kommt, dass Italien ohnehin wirtschaftlich auf wackeligen Beinen steht. Die momentan betroffenen und abgeschotteten Regionen Lombardei und Venetien tragen rund 30 Prozent zu Italiens Bruttoinlandsprodukt bei. Breitet sich das Virus auf das wirtschaftliche Zentrum Mailand aus, wird die Gefahr noch einmal ein Stück größer, dass Italien innerhalb von zehn Jahren zum vierten Mal in die Rezession schlittert. Die Prognose der EU-Kommission für Italiens Wachstum war zuletzt mit plus 0,3 Prozent (vor dem Coronavirus) schon nicht gerade berauschend.

Börsen rutschen ab

Tiefrot war daher am Montag das Bild an den Börsen: In Mailand stürzte der Index FTSE Mib um mehr als fünf Prozent ab. Auch italienische Staatsanleihen flogen aus den Depots. Das trieb die Rendite der zehnjährigen Papiere auf 0,969 Prozent. Das zeigt, dass das Vertrauen der Anleger in das Land sinkt.

Die griechischen Leitindizes sackten um mehr als sieben Prozent ab. Die restlichen Börsen in Europa lagen um mehr als drei Prozent in Minus. Deutlich unter Druck kamen vor allem Aktien aus den Bereichen Automobil, Banken, Luxusgüter (LVMH) sowie Werte von Fluggesellschaften und Logistikkonzernen. Die Papiere der AUA-Mutter Lufthansa, der Air France-KLM und der British-Airways-Mutter IAG büßten je rund sieben Prozent ein. Auch die US-Börsen eröffneten am Montag tiefrot.

Gefallen ist am Montag auch der Ölpreis. Sowohl europäisches als auch US-Rohöl gerieten unter Druck. Der Preis für US-Rohöl der Sorte WTI geriet unter Druck – genauso wie der Preis der Sorte Brent. Gold profitiert hingegen von der Coronavirus-Krise als sicherer Anlagehafen. Am Montag stieg der Preis des Edelmetalls auf einen neuen siebenjährigen Höchststand. In der Spitze wurden für eine Feinunze (etwa 31,1 Gramm) rund 1688 US-Dollar gezahlt. Das ist der höchste Stand seit Februar 2013. In Euro wurde ein neuer Rekordstand von rund 1555 Euro erreicht.

Weit weg von normal

"Die rasche internationale Ausbreitung des Coronavirus gibt Anlass zur Sorge", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Damit würden auch Meldungen aus China, dass die Zahl der Neuinfektionen zurückgeht, an Bedeutung verlieren, "weil die Ansteckung anderswo weitergeht". Ob die Ansteckung in China wirklich eingedämmt ist, lässt sich laut Kater zudem wohl länger noch nicht mit Sicherheit sagen. Denn derzeit stehe rund die halbe Wirtschaft still. Auch wenn Chinas Regierung versuche, die Wirtschaft langsam wieder in Schwung zu bekommen, zeige sich, dass die Wanderarbeiter nur zögerlich zurückkehren. Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen bleiben geschlossen. Nur etwa drei von zehn dieser Betriebe würden nach der staatlich verordneten Zwangspause wieder arbeiten, sagte der Sprecher des Industrieministeriums in Peking, Tian Yulong, am Montag. Erst wenn die Menschen wieder arbeiten und regelmäßig rausgehen, werde sich laut Kater zeigen, ob die Ansteckungen wirklich zurückgehen.

Getrübtes Wachstum

Der Deka-Chefvolkswirt geht davon aus, dass Chinas Wachstum auf vier Prozent sinken wird, und das nur unter der Voraussetzung, dass die Cov19-Krise das zweite Quartal nicht mehr belastet. China selbst hielt bisher an seiner Prognose von sechs Prozent fest – am Montag sagte Präsident Xi Jinping aber, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen relativ groß sein werden. Für die Globalisierung ist das Coronavirus jedenfalls ein Härtetest. Gabriel Felbermayr, Chef des Instituts für Weltwirtschaft, sieht die Viruskrise gar als eine Art Sollbruchstelle der Globalisierung. "Die Entwicklungen in China zeigen, wie fragil das System ist", sagte er dem Handelsblatt. Es zeige sich, dass das Selbstverständliche plötzlich nicht mehr selbstverständlich ist.

Die wirtschaftlichen Folgen werden laufend eingeordnet. Allein Asien soll der Tourismus-Einbruch laut einer Ing-Studie bis zu 115 Milliarden Dollar an Wirtschaftsleistung kosten. Die Luxusgüterbranche werde das Virus voraussichtlich 30 bis 40 Milliarden Dollar Umsatz kosten, die Gewinne wird es um rund zehn Mrd. Dollar schmälern, hat die Boston Consulting Group errechnet. (Bettina Pfluger, 24.2.2020)