Proterocladus antiquus lebte vor einer Milliarde Jahre, glich aber erstaunlicherweise schon einigen modernen Grünalgen.
Illustration: Dinghua Yang

Der Ursprung aller heute lebenden Bäume, Farne, Blumen und Gräser liegt etwa 2,5 Milliarden Jahre in der Vergangenheit. Damals, gute zwei Milliarden Jahre nach der Geburt der Erde und vermutlich eine Milliarde Jahre nach der Entstehung der ersten lebenden Zellen, brachte die noch etwas kümmerliche Biosphäre unseres Planeten die sogenannte oxygene Photosynthese hervor. Oder – mit einfachen Worten – die Fähigkeit des Lebens, die Energie des Sonnenlichts zu speichern und zu nutzen.

Bei diesem wegweisenden biologischen Oxidationsprozess wurde von Vorläufern heutiger Cyanobakterien Sauerstoff in die Atmosphäre freigesetzt, global gesehen zunächst aber nur in geringen Mengen. Untersuchungen lassen darauf schließen, dass die anoxygene Photosynthese, bei der statt Sauerstoff andere anorganische Stoffe entstehen, sogar mehr als 3,5 Milliarden Jahre alt ist.

Kaum verlässliche Fossilien

Erst der Landgang der frühen Grünpflanzen vor 500 Millionen Jahren und die damit verbundene rasch steigende Anreicherung der Erdatmosphäre mit Sauerstoff ebnete schließlich der Evolution der tierischen Landbewohner den Weg. Den Grundstein für diesen epochalen Entwicklungsschritt bildeten nach der heute verbreitetsten Theorie marine mehrzellige Grünalgen.

Der Zeitpunkt, zu dem diese Algen in den Urozeanen in Erscheinung traten, ist allerdings weitgehend unklar, was dem Mangel an entsprechenden, verlässlich datierbaren Fossilien geschuldet ist. Die bisher frühesten einigermaßen gut belegten mehrzelligen Grünalgen wurden in der höchstens 800 Millionen Jahre alten Svabergfjellet-Formation in Spitzbergen gefunden.

Mikroskopische Aufnahme von Proterocladus antiquus.
Foto: Virginia Tech

Nun aber haben Paläontologen um Shuhai Xiao vom Virginia Tech College of Science (Blacksburg, Virginia) in China die Überreste einer vielzelligen Grünalge entdeckt, die die Lücke in der Pflanzenevolution ein Stück weit schließen könnte. Das Aufregende an diesem Fund, der nun im Fachjournal "Nature Ecology & Evolution" präsentiert wurde: Er ist überraschend alt. Die bemerkenswert gut erhaltenen Mikrofossilien der Alge fanden sich in einer Milliarde Jahre altem Gestein.

Rekordwinzling aus China

Die fadenförmigen Pflanzenreste aus einer Fundstätte nahe Dalian in der nordchinesischen Provinz Liaoning sind insgesamt nur zwei Millimeter lang, weisen mehrere Verzweigungen auf und besitzen an einem Ende sogar spezialisierte Zellen, die als Wurzeln fungiert haben dürften. Laut Xiao und seinen Kollegen lebten die winzigen Algen einst in einem flachen Ozean. Nach ihrem Tod wurden ihre organischen Formen auf dem Meeresgrund unter einer dicken Sedimentschicht konserviert, die als verfestigter Fels viele Millionen Jahre später im Verlauf geologischer Auffaltungen emporgehoben wurde und heute trockenes Land bildet.

Video: Shuhai Xiao vom Virginia Tech College of Science erklärt, was es mit dem Fossilienfund auf sich hat.
Virginia Tech

Die wissenschaftliche Bedeutung ihres Fundes sei nach Ansicht der Fachleute enorm: "Diese Fossilien sind wohl die ältesten jemals gefundenen Grünalgen", sagt Xiao. "Die Überreste, die um ganze 200 Millionen Jahre älter sind als die bisherigen Rekordhalter, deuten darauf hin, dass solche Pflanzen schon damals wichtige Akteure im Ozean waren, lange bevor ihre Nachkommen das trockene Land eroberten." Verblüffend ist dabei freilich, dass der eine Milliarde Jahre alte Fund einigen heutigen Spezies gleicht. "Es gibt eine Gruppe moderner sogenannter siphonocladaler Grünalgen, die unseren Fossilien in Form und Größe sehr ähnlich sehen", sagt Xiao.

Die Wurzel aller Pflanzen

Die Wissenschafter vermuten, dass das nun entdeckte Proterocladus antiquus getaufte Lebewesen oder eine nahe verwandte Art die Wurzel des gesamten floralen Stammbaums darstellt. "Pflanzen sind heute für das ökologische Gleichgewicht des Planeten von entscheidender Bedeutung, da sie durch Photosynthese organischen Kohlenstoff und Sauerstoff produzieren und unzähligen Tierarten Schutz und Nahrungsgrundlage bieten. Unsere Studie zeigt, dass dieser allgegenwärtige grüne Artenreichtum auf ein Wesen zurückzuführen ist, das vor mindestens einer Milliarde Jahre gelebt hat", so Xiao. (Thomas Bergmayr, 25.2.2020)