Harvey Weinstein wurde wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt.

Foto: EPA/JUSTIN LANE

Jetzt ist es also da. Das Urteil gegen Harvey Weinstein, jenen Mann, der wie kein anderer für die #MeToo-Bewegung steht. Seit im Herbst 2017 die ersten Vorwürfe gegen den Ex-Filmmogul laut geworden waren, entstand die größte und wichtigste Bewegung gegen sexualisierte Gewalt, Belästigung und Übergriffe.

Der Fall Weinstein war paradigmatisch für sexualisierte Gewalt: Ein mächtiger Mann nutzt seinen Einfluss aus, um ungestraft über viele Jahre sexualisierte Gewalt auszuüben – dank eines Netzwerks, das über Jahrzehnte hinweg dichthielt. Keine Frau hatte da je eine Chance auf Gerechtigkeit, selbst wenn der Übergriff noch so grauenhaft und nachweisbar war. Jedenfalls keine einzelne. Doch dank #MeToo war es eben nicht mehr nur eine, es wurden dutzende, die Weinstein Übergriffe vorwarfen. Und durch den Hashtag #MeToo wurden es Millionen, die von ähnlichen Strukturen berichteten, die Gewalt gegen Frauen begünstigen.

Gute Nachricht, aber

Doch obwohl Weinstein über 80 Übergriffe vorgeworfen werden – er selbst stand nur wegen zwei konkreter Fälle vor Gericht. Wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung. In beiden Fällen wurde Weinstein nun schuldig gesprochen. In den sozialen Medien zeigen darüber unzählige – vor allem – Frauen ihre Freude und bezeichnen es als Meilenstein, als Riesenerfolg im Fall eines Mannes, der so lange als "too big to fail" galt.

Das Urteil basiert neben den Aussagen der beiden Hauptbelastungszeuginnen Mimi Haleyi und Jessica Mann auf den Aussagen von weiteren vier Belastungszeuginnen.

Ja, das Urteil ist ein Fortschritt im Kampf gegen sexualisierte Gewalt. Doch der Prozess zeigte auch, wie schwierig diese sind – dass von 80 Vorwürfen lediglich zwei "übrig bleiben", der Rest ist verjährt oder strafrechtlich nicht relevant. Der Prozess zeigte ebenso, wie extrem belastend der Gang vor Gericht für Betroffene ist.

Weinsteins Verteidigerin Donna Rotunno versuchte auf brutale Weise die Glaubwürdigkeit der Opfer zu demontieren – bis hin zu der Behauptung, dass sie es eigentlich gewesen seien, die Weinstein ausnutzten. Die Verteidigerin analysierte sogar hobbypsychologisch Kalendereinträge von Mimi Haleyi. Man würde doch in einer Zeit, in der Übergriffe stattgefunden haben, keine Blümchen und Herzchen in den Kalender malen. Würde man doch, stellte eine Gutachterin später richtig. Trotzdem fühlt man sich bei Sätzen wie jenem von Rotunno – "Sie sind ziemlich oft verwirrt, nicht wahr, Miss Mann?" – in die 1950er zurückversetzt.

Plumpe Täter-Opfer-Umkehr

Ja, das Urteil ist eine gute Nachricht, eine, dass Männer wie Weinstein nicht mehr mit allem durchkommen. Allerdings wissen wir auch, dass sie noch immer mit ziemlich vielem durchkommen. Weinstein konnte immerhin viele Jahrzehnte gewähren, und es brauchte die Kraft sehr vieler Betroffener, dass es zu einem Urteil kam. Und dieser Prozess zeigte auch, wie erschreckend plump und selbstverständlich die Täter-Opfer-Umkehr offenbar noch immer zum selbstverständlichsten Vokabular bei sexualisierten Übergriffen gehört. Und das macht etwas mit Betroffenen. Mit jenen vor Gericht und mit jenen, die deshalb den Weg dorthin wohl nie gehen werden. (Beate Hausbichler, 24.2.2020)