Landtagspräsidentin Verena Dunst beurkundet vor den Augen der Medienöffentlichkeit: Hans Peter Doskozil regiert nun absolut.

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Heißa, sind das Zeiten gewesen! Damals, im Frühsommer 2015, vibrierte die gesamte Republik im Angesicht des roten Tabubruchs in Eisenstadt. Hans Niessl – dadurch eine Art Gottseibeiuns sozialdemokratischer Gesinnungstreue – hatte sich entschlossen gehabt, den schwarzen Teufel mit dem blauen Beelzebub auszutreiben. In der SPÖ rumorte bis kleschte es ordentlich.

Auch im Burgenland tat es das. In Eisenstadt wurde – eine Seltenheit – demonstriert. Beinahe Marschsäulen waren es, die gegen die Unerhörtheit von Rot-Blau skandierten. Das Landhaus wurde schwer bewacht. Bei der konstituierenden Sitzung trat der bis dahin amtierende Landtagspräsident, Gerhard Steier, mit deftigen Worten zurück und aus der Partei aus. Und er war damit nicht der Einzige.

"Fast unheimlich harmonisch"

Dagegen diesmal! Beinahe eine Rosamunde-Pilcher-G'schicht. Rot hat – getarnt als "Liste Doskozil" – die Absolute erreicht. Die konstituierende Sitzung des Landtages, mit der die XXII. Gesetzgebungsperiode eingeläutet wurde, verlief, wie der Burgenland-"Kurier" mit feiner Stichwaffe formulierte, "fast schon unheimlich harmonisch". Man hatte einander sozusagen schaudernd lieb. Bei der Wahl zu Landeshauptmann und -regierung gab es nur eine Stimmenthaltung. Hans Peter Doskozil streckte seine Hand in alle Richtungen aus. Überall griff man zu. Oder tat jedenfalls so.

Nicht einmal zu einem richtigen Skandal reicht es, als der rote Alleinregent seine Verlobte zu seiner Referentin machen wollte. Sie sagte rechtzeitig ab, er bereute. "Ein Denkfehler", räumte Doskozil bei seiner Antrittsrede ein, bei der er sich – wiederum der treffliche "Kurier" – "Asche aufs Haupt gestreut hat".

"Todeslohnspirale"

In der nabelschauenden SPÖ sind die Pannonier mittlerweile sogar zu einer Art Rolemodel geworden. "Tempora mutantur", heißt es achselzuckend zwischen Kittsee und Kalch, wozu man in Duluth, Minnesota sagt: "The times they are a-changin'."

Galten vor fünf Jahren die Niessl'schen – dazu zählte Doskozil ja ganz zuvorderst – bei den aufrechten Sozialdemokraten als nur notdürftig maskierte Blaue, sieht man im burgenländischen Landeshauptmann heute dagegen schon jene rote Katze, die das Mausen nicht und nicht lassen könne. Tatsächlich tönt es aus Eisenstadt traditionell arbeiterbewegt.

Die pannonischen Klassenkampftöne werden da und dort schon mit noch forscheren Klassenkampftönen beantwortet. Mit seinem Prestigeprojekt, dem landesnahen Mindestlohn von 1.700 Euro netto, habe Doskozil – so ein Industrieführer in der "Presse" – eine "Todeslohnspirale" in Gang gesetzt.

Wäre die SPÖ eine sozialdemokratische Partei, könnte sie hier wohl kraftvoll die Debatte aufnehmen. Aber so.

Verdauungsprozesse

Im Burgenland ist man zu solch farbenfrohen Wortbildern – Doskozils Todeslohnspirale! – nicht oder noch nicht fähig. Da verdaut man auf oppositioneller Seite erst einmal das Wahlergebnis. Und sucht die Nähe zum Wahlsieger.

Auch die Grünen tun das, die sich aber auch Besonderes erhoffen. Das gewissermaßen schon fix eingeplante dritte Mandat wurde nämlich verfehlt, damit auch der finanziell und personell lukrative Klubstatus. Der absolute Doskozil will das ändern. Entweder durch eine Verfassungsreform, oder: "Wenn es dafür keine verfassungsrechtliche Mehrheit im Landtag gibt, statten wir die Grünen auch ohne Klubstatus personell entsprechend aus." (Wie immer das auch buchhalterisch korrekt geht.)

ÖVP-Rochaden

Zu verdanken haben die Grünen ihr personelles Mauerblümchendasein nicht nur sich selber. Bis 2015 lag im Eisenstädter Landhaus die Grenze zur Klubstärke bei zwei Mandaten. In den Verhandlungen zur Verfassungsreform 2014 war die Erhöhung auf drei ein Preis, den die ÖVP gefordert hat für ihre Zustimmung zur Abschaffung des Proporzes. Vom Klubförderkuchen blieb so ein größeres Stück in den schwarzen – jetzt türkisen – Räumlichkeiten.

Die blieben bei der Wahl gleich groß. Elf Mandatare beraten hier. Ihr schon gewählter Obmann heißt nun aber nicht mehr Thomas Steiner. Der Bürgermeister von Eisenstadt zog sich vom Parteichef- und Klubchefposten zurück.

Als Parteichef folgt ihm Christian Sagartz nach. Der war bis zur Wahl Klubobmann, sitzt aber jetzt für Karoline Edtstadler im EU-Parlament, kann seinen alten Job also nicht machen. Den übernimmt Markus Ulram, der Ortschef von Halbturn. Steiner wird Obmann des Rechnungshofausschusses. "Darauf", so Steiner mit oppositioneller Lust, "freue ich mich ganz besonders."

Blaue "Reise nach Jerusalem"

Großes Raumangebot haben nun die blauen Klubräume. Die Partei reduzierte sich von sechs Mandataren auf vier. Dazu kommen noch die zwei, die auf der Regierungsbank nicht mehr gebraucht werden.

Und jetzt wird hier das auch in politischen Kreisen so beliebte Spiel "Reise nach Jerusalem" gespielt. In der Präsidiumssitzung nach der Wahl setzte sich Parteichef und Ex-Landeshauptmann-Vize Johann Tschürtz auf den Sessel des Klubobmanns, Wirtschaftslandesrat Alexander Petschnig auf den des Parteichefs. Aber es kann gut sein, dass die Musik noch gar nicht zu Ende gewesen ist, als sie sich hingesetzt haben.

Am 7. März rufen die pannonischen Blauen nämlich zum Parteitag. Manfred Haidinger, bis zur Wahl Mandatar in Eisenstadt, wird gegen Petschnig antreten. Ein Anonymus macht seit Tagen schon ordentlich Katzenmusik dazu. Namentlich Tschürtz namelt er ordentlich her. Dieser habe eine "desolate Partei zurückgelassen" und bleibe "am bestbezahlten Job kleben".

Géza Molnár, bis zur Wahl Klubobmann und – so wieder unwidersprechbar der "Kurier" – "zweifellos bester Redner im Landtag", habe "das Feld kampflos geräumt, nicht zuletzt, weil er die aktuelle Situation als hoffnungslos betrachtet, hat er es sein lassen (er wird wohl warten, bis die Hütte in der jetzigen Form in die Luft geht)".

Manchen ist manchmal eine Wahlniederlage halt noch nicht genug. (Wolfgang Weisgram, 25.2.2020)