Würde Österreich einen Kredit in der Höhe von mehr als 29 Billionen Euro erhalten, könnte sich Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer darum beim Wiener Opernball fast elf Billionen Liter österreichisches Mineralwasser kaufen. Die Stadt Wien wiederum könnte sich mehr als 300 Millionen Energieringe für das Krankenhaus Nord leisten.

Ein Kredit in dieser Höhe wäre allerdings in jedem Fall eine gewisse Belastung für nachfolgende Generationen, entspräche er doch in etwa dem 66-fachen Wert des österreichischen BIP.

Einen Kredit in solcher Höhe haben derzeit die Salomonen in Aussicht, glauben zumindest Regierungsmitglieder des südpazifischen Inselstaates. 100 Milliarden Dollar (rund 92 Milliarden Euro) sollen an die Salomonen fließen – dies ist mehr als 66-mal das Bruttoinlandsprodukt der Inseln, welches bei etwa eineinhalb Milliarden Dollar liegt.

Auf den sechs Hauptinseln und über 900 kleinen Inseln der Salomonen leben insgesamt rund 650.000 Einwohner. Der Kredit über hundert Milliarden Dollar würde also mehr als 153.000 Dollar pro Kopf in die Staatsfinanzen spülen.

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Eine Milliarde Scheine mit dem Konterfei Benjamin Franklins ergeben hundert Milliarden Dollar.
Foto: Reuters/Lee

"Vertrauliche Geldgeber" für hundert Milliarden

Dies geht jedenfalls aus Briefen des salomonischen Finanzministers Harry Kuma hervor, die vergangene Woche über Medienberichte öffentlich wurden. Kuma schrieb im November des Vorjahres zweimal an einen chinesischen Broker namens Terry Wong. Dieser hat der Regierung der Salomonen offenbar als Mittelsmann einen Deal mit "vertraulichen Geldgebern" aus seinem Heimatland angeboten.

Elf Prozent

Die mit 27. und 28. November datierten Briefe Kumas an Wong behandeln Detailfragen des Kredites. Demnach erhält der Mittelsmann bei einem Abschluss eine Prämie von mageren elf Prozent der Gesamtsumme. Wongs "Vertreter auf den Salomonen" habe ihn auf die Finanzierungsmöglichkeit für die salomonische Regierung aufmerksam gemacht, schreibt Kuma. "Mein Ministerium ist daran interessiert, einen offiziellen Dialog zu führen, um diesen Vorschlag im Detail untersuchen zu können." Wong solle genauere Informationen vorlegen. Kuma wünsche jedoch ausschließlich eine Kommunikation zwischen ihm, Wong und dem lokalen Vertreter Wongs.

"Wir sind sehr an jeder möglichen Finanzierung interessiert, die zu einer Stärkung unserer Wirtschaft und einer Verbesserung für unsere Leute beitragen kann", fährt der Finanzminister fort. Im zweiten Brief erklärte der Finanzminister, die "elf Prozent Vermittlungsgebühr, die Ihre Organisation verlangt, ist vermerkt und wird prinzipiell akzeptiert".

Wong macht Druck

Anfang Dezember antwortete Wong. Er drängt zur Eile: Auch andere seien an dem Geld interessiert. In dem Angebot werden den Salomonen keine Vorschriften gemacht, wofür der Kredit Verwendung finden muss. Die Höhe der Raten wird nicht festgelegt, sie solle sich an den durchschnittlichen Zinsraten der salomonischen Banken orientieren. Die maximale Kreditdauer solle zwanzig Jahre nicht überschreiten.

Oppositionschef Matthew Wale von der Solomon Islands Democratic Party verlangte nach der Veröffentlichung der Schreiben eine Klarstellung, wer Kuma beauftragt habe, in Verhandlungen über den Kredit zu treten. "Es ist wichtig, dass der Regierungschef erklärt, warum er den Finanzminister dazu ermächtigt hat." Er warf der Regierung vor, das Land verkaufen zu wollen.

Kuma beschwichtigte, die Gespräche seien erst im Anfangsstadium und noch nicht auf der Ebene des Kabinetts. Die Regierung sei daher noch nicht informiert worden. Allerdings tragen Kumas Briefe den offiziellen Briefkopf der Regierung.

Rätselhafter Terry Wong

Die Schreiben Kumas sind an eine Adresse in Peking gerichtet – wohl eine Briefkastenfirma. Ein Vertreter Chinas in der salomonischen Hauptstadt Honiara reagierte Medienberichten zufolge "schockiert" auf die Nachricht über das Kreditangebot. Er habe keine Informationen über den Deal. Das Angebot sei lächerlich und bringe für die Salomonen die Gefahr eines wirtschaftlichen Desasters. Auch Terry Wong ist dem Vertreter Pekings augenscheinlich nicht bekannt: "Wir haben unsere Botschaft in Port Moresby kontaktiert, um herauszufinden, ob wir den chinesischen Broker ausfindig machen können." Der Versuch blieb jedoch ergebnislos.

Das ist wenig überraschend, schließlich zählt Wong zu den häufigsten Namen. Auf der Karriereplattform Linkedin finden sich zum Beispiel mehr als neunhundert Terry Wongs. Allerdings deutet der Name Wong eher auf eine Person außerhalb Festlandchinas hin.

Profiteure

Am Mittwoch tauchten Gerüchte auf, dass Parlamentarier der Regierungsparteien die Nutznießer der Vermittlungsgebühr sein könnten. Einzelne Abgeordnete der Vier-Parteien-Koalition Democratic Coalition Government for Advancement (DCGA) seien mit Terry Wong befreundet, zitierten Medien eine Quelle aus dem Büro des Regierungschefs. Der Vorwurf postuliert ein chinesisches Netzwerk auf den Salomonen. Einige Abgeordnete der Regierungsparteien sind mit dem geheimen Vorgehen Kumas alles andere als einverstanden.

Erst im September des Vorjahres haben die Salomonen Taiwan diplomatisch abserviert. Die 36-jährige Partnerschaft mit Taipeh wurde aufgegeben und ein Seitenwechsel zu Peking vollzogen.

Der salomonische Außenminister Jeremiah Manele (links) besuchte Taiwan kurz vor dem Wechsel zu Peking. Taiwans Außenminister Joseph Wu (rechts) konnte ihn nicht zum Verbleib an der Seite Taiwans überreden.
Foto: APA/AFP/Yeh

Noch am 9. September statte der salomonische Außenminister Jeremiah Manele Taiwan einen Besuch ab. Doch das änderte nichts mehr am fliegenden Wechsel: Am 17. September wurde die Flagge Taiwans vor der Botschaft in Honiara eingeholt.

Danach startete eine rege Besuchsdiplomatie der salomonischen Regierung in Peking: Schon am 21. September unterzeichneten Manele und der chinesische Außenminister Wang Yi Dokumente, die die neue Freundschaft besiegelten. Der Preis: rund 500 Millionen US-Dollar Wirtschaftshilfe. Taiwan hingegen zahlte in den Jahren 2011 bis 2017 rund 105 Millionen US-Dollar an die Salomonen. Australien zahlte im selben Zeitraum 1,15 Milliarden US-Dollar.

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Chinas Außenminister Wang Yi (rechts) und sein salomonischer Kollege Jeremiah Manele (links) besiegelten am 21. September im Staatsgästehaus Diaoyutai in Peking die neue Freundschaft ihrer Länder.
Foto: Reuters/Hatta

Der Informant aus dem Regierungsbüro behauptet, dass sich im Wahlkampf zu der jüngsten Parlamentswahl im April 2019 manche Kandidaten mit chinesischen Geldern finanziert hatten und daher bei China in der Schuld stünden. Andere wiederum ließen sich demnach ihre Zustimmung zum Wechsel an Pekings Seite entsprechend belohnen. Dies bilde den Zement für die Regierungskoalition in den kommenden Jahren bis zur nächsten Wahl.

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Im Oktober unterzeichneten die Außenminister unter den Augen des salomonischen Premiers Manasseh Sogavare (hinten links) und des chinesischen Premiers Li Keqiang (hinten rechts) in der Großen Halle des Volkes in Peking Verträge.
Foto: AP/Peter

(Michael Vosatka, 26.2.2020)