Nicht jeder, der zur LK-Wahl am Sonntag gehen will, darf dort wählen. Vor allem nicht, wenn er grün ist, so der Vorwurf einiger Bauern.

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Am Sonntag, dem 1. März, ist Landwirtschaftskammer-Wahl (LK-Wahl) in Niederösterreich. An sich kein Ereignis, das breite mediale Beachtung finden würde, wären da nicht ein paar Feinheiten, die dem Machterhalt der einen Seite – der des Bauernbundes – dienen und die Kandidatur einer anderen Seite – der Grünen – verhindern.

Die Sache ist die: Manche Bäuerinnen oder Bauern in Niederösterreich würden gerne wählen, dürfen aber nicht. Denn wer ins Wählerregister kommt, entscheiden die Gemeinden, sie sind dafür zuständig, dieses aktuell zu halten. Und die fragen da in manchen Fällen beim Bauernbund nach – der jedoch selbst zur Wahl antritt und da 2015 mehr als 83 Prozent abräumte. Der Vorwurf also: Ins Wahlregister kommt, wer dem Bauernbund in den Kram passt. Wer nicht drin ist, muss sich mühselig eintragen lassen oder kann, wenn er zu spät draufkommt, seine Stimme nicht abgeben.

Wenn da ein Grüner dabei ist

Ein Bauer aus Niederösterreich erzählt das dem STANDARD so: Er ist seit ein paar Jahren in seiner Gemeinde gemeldet, erfüllt die Kriterien, um ins Wahlregister aufgenommen zu werden. Wahlberechtigt sind etwa Personen, die ein mindestens einen Hektar großes land- und forstwirtschaftliches Grundstück besitzen. Die Aktualisierung der Liste aber habe in seiner Gemeinde der Ortsbauernrat übernommen – das ist das LK-Gremium auf Gemeindeebene und damit ebenfalls vom Bauernbund dominiert.

"Die hätten auf die Idee kommen können, mich hinzuzufügen", sagt der Landwirt, der nicht namentlich genannt werden will, "aber sie haben gesagt, sie haben mich vergessen." Erst auf Nachfrage sei er ins Register aufgenommen worden, von einer Person, die das mit den Worten "Das gefällt denen nicht, wenn da wer Grüner dabei ist" kommentiert habe.

Ein anderer Landwirt hat erst zu spät erfahren, dass er nicht wählen dürfen wird. Das Wählerverzeichnis war nur bis zum 6. Dezember aufgelegt, wer erst danach feststellte, dass er fehlt, fällt raus. Der zuständige Bürgermeister bestätigt dem STANDARD, dass die Wählerlisten in Absprache mit den Bauernbundobleuten erstellt würden, schließt Willkür aber aus.

Andere Bürgermeister betonen, dass die Kammer die Interessen all ihrer Mitglieder vertrete, nicht nur die des Bauernbundes, daher sei eine politische Einflussnahme ausgeschlossen – dass sie sich "der Mithilfe der örtlichen Bezirksbauernkammer bedienen" können, ist sogar ausdrücklich in der Wahlordnung festgeschrieben. Außerdem, so heißt es von Bürgermeistern, könne man ja im Wahlverzeichnis prüfen, ob man aufscheine.

"Sicher kann man sagen, als Bauer muss man das wissen, aber uns war nicht klar, dass wir im Dezember nachkontrollieren müssen, ob wir da drinstehen", sagt der betroffene Bauer. Damit sei auch seine Unterstützungserklärung für die Grünen Bäuerinnen und Bauern, die eigentlich zur Wahl antreten wollten, nichtig geworden.

Grüne Liste kann nicht antreten

Die braucht nämlich, um das zu tun, 40 Unterstützungserklärungen. Diese hatte man zusammengebracht, sagt Karl Breitenseher, Vorstandsmitglied der Grünen Bäuerinnen und Bauern, nur soll sich im Nachhinein herausgestellt haben, dass einige Unterstützer nicht im Wählerverzeichnis waren. "Es wird willkürlich gehandhabt, wer da drinsteht", sagt Breitenseher, "wenn man der Ortsbauernschaft nicht gewogen ist, kann es sein, dass der Obmann sagt, das sei kein wirklicher Bauer, den brauchen wir nicht in der Liste". Allerdings: Der Antritt der grünen Liste sei ohnehin knapp geworden, heißt es aus der Pressestelle der niederösterreichischen Grünen – auch aus strukturellen und zeitlichen Gründen.

Auch die niederösterreichischen SPÖ-Bauern kritisieren, wie das Wahlregister zustande kommt. "Ich muss mich selbst kümmern, dass ich da aufgenommen werde", sagt etwa deren Landesvorsitzender Ernst Wagendristel. Wer dem Bauernbund nahestehe, werde darauf angesprochen, sich darum zu kümmern, dass er ins Wählerverzeichnis aufgenommen wird. Wer als Partei nicht die Stärke dazu hat, müsse sich darauf verlassen, dass potenzielle Wähler sich selbst darum kümmern. Dennoch betont der SPÖ-Funktionär: Sachpolitik gehe vor Parteipolitik.

Der Bürgermeister kann nicht alles wissen

Die Österreichische Berg- und KleinbäuerInnen-Vereinigung kritisiert, wie die LK-Wahl in Niederösterreich abläuft. Man kenne mehrere Fälle, in denen um das Wahlrecht gekämpft werden musste oder es aberkannt wurde. Geschäftsleiterin Julianna Fehlinger sagt dazu: "Aus unserer Sicht ist die Frage: Wie kann ein demokratisches System funktionieren, wenn es so eine starke Vormachtstellung einer Partei gibt?" Und schlägt vor, bei der Wählerlistenerstellung etwa auf Betriebsnummern oder Daten aus der Versicherung zurückzugreifen.

Von der niederösterreichischen LK heißt es dazu, man vertraue auf die Erfahrung der Gemeinden bei der Erstellung der Wählerevidenzen. "Wer stirbt, kommt raus aus der Wählerevidenz, wer neu wahlberechtigt wird, wird neu aufgenommen", wobei, so heißt es aus der Kammerdirektion, "der Bürgermeister nicht immer alles wissen kann", immerhin handle es sich um eine komplexe Materie. Die Aufsicht habe außerdem die Landesregierung. Auch der Bauernbund verweist auf Anfrage an die Landesregierung.

Dort, in der Abteilung Agrarrecht, weist man den Vorwurf, der Bauernbund habe indirekten Einfluss auf das Wahlverzeichnis, zurück. Die Gemeinden seien als offizielle Gebietskörperschaften neutral, alles andere seien Gerüchte. (Gabriele Scherndl, 26.2.2020)