Der Familienbonus soll Ausgaben für Kinder ersetzen – aber nicht für alle: 166.000 Kinder drohen auch nach der türkis-grünen Reform ausgeschlossen zu bleiben.

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Wien – ÖVP und Grüne haben das Projekt wie ein Prunkstück positioniert: Im Paket zur Armutsbekämpfung, das der Koalitionspakt verspricht, ist die Ausweitung des Familienbonus an erster Stelle zu finden. Die Grünen hatten auf eine Verbesserung des alten türkis-blauen Modells gedrängt.

Doch löst der überarbeitete Bonus diesen Anspruch ein? Oder haben armutsgefährdete Kinder, wie die Sozialdemokraten monieren, auch von der neuen Variante wenig, während Besserverdiener profitieren? Eine aktuelle Studie gibt nun Antworten. Tamara Premrov und Michael Fuchs vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung haben errechnet, welche Einkommensgruppen vom Familienbonus am meisten profitieren – und wer durch die Finger schaut.

Türkis-grünes Ausbauprogramm

Kurze Einführung: In der geltenden türkis-blauen Version funktioniert der Bonus so, dass Eltern pro Jahr und Kind bis zu 1.500 Euro von der Lohn- und Einkommensteuer absetzen können. Doch weil die Steuerpflicht erst ab rund 15.400 Euro brutto im Jahr einsetzt, haben Kleinverdiener von dem Zuckerl weniger oder gar nichts. Eine Kompensation gibt es nur für Alleinerzieher und Alleinverdiener: Der "Kindermehrbetrag" garantiert dieser Gruppe unabhängig vom Einkommen eine Entlastung von 250 Euro.

Die neue Regierung plant, die Beträge zu erhöhen: Ab 2022 soll der Familienbonus 1.750 Euro und der Kindermehrbetrag 350 Euro betragen. Außerdem soll Letzterer künftig nicht nur für Alleinerzieher und -verdiener, sondern für alle Erwerbstätigen mit Kindern gelten.

Wer profitiert? Die von Premrov und Fuchs errechneten Zahlen zeigen: Die türkis-grüne Erweiterung nimmt auf die unterste Einkommensschicht mehr Rücksicht als die türkis-blaue Urversion. Doch letztlich bleiben Kleinverdiener im Vergleich zur Mittelschicht weiterhin benachteiligt.

Auf Mittelschicht zugeschnitten

Konkret würde die von ÖVP und Grünen geplante zusätzliche Entlastung zu 5,3 Prozent den Haushalten im untersten Einkommenszehntel zugutekommen. In der geltenden Version beträgt der Anteil nur 3,3 Prozent. Deutlich besser steigen aber Gruppen mit höherem Verdienst aus: Die drei mittleren Einkommenszehntel erwarten mit Anteilen von zwölf bis 14 Prozent die größten Brocken der vorgesehenen Zusatzentlastung.

In absoluten Zahlen: Im untersten Einkommenszehntel wird die türkis-grüne Entlastung ein Plus von durchschnittlich 40 Euro pro Haushalt und Jahr bringen. In den mittleren Schichten hingegen ist ein Einkommenszuwachs von bis zu 108 Euro zu erwarten. In die Rechnung werden allerdings alle Haushalte einbezogen und nicht nur solche mit Kindern.

Zählt man die Entlastungsschritte beider Regierungen zusammen, dann ist dank eines Anteils von 14,8 Prozent an der Gesamtentlastung das von unten gerechnet dritte Einkommenszehntel größter Profiteur. Das unterste Zehntel steigt auch da mit 3,7 Prozent am schlechtesten aus.

"Der Familienbonus bleibt auf die Mittelschicht zugeschnitten", schließen Premrov und Fuchs aus den Daten. Der Kindermehrbetrag bringe Kleinverdienern zwar eine Verbesserung, unterm Strich sei das Modell aber "kein treffsicheres Instrument für die Armutsbekämpfung".

Diesem Urteil schließt sich Philipp Gerhartinger an. Es sei zu begrüßen, dass der Familienbonus viele arbeitende Menschen entlaste, sagt der Leiter der Steuerabteilung der Arbeiterkammer, Auftraggeberin der Studie, "doch den Anspruch der Armutsbekämpfung löst das Modell nicht ein. Eine Erhöhung der Familienbehilfe hätte da mehr genützt."

Geht es nach der AK, dann sollte die Regierung jedenfalls jenen Passus streichen, der den Bezieherkreis des Kindermehrbetrags derzeit einschränkt: Ausgeschlossen sind all jene, die in einem Jahr mindestens 330 Tage Arbeitslosengeld, Mindestsicherung oder eine Leistung der Grundversorgung beziehen. Wer arbeitet, aber wegen geringen Verdiensts auf das Niveau der Mindestsicherung "aufstockt", erhält also nichts.

Die Regel, von deren Weiterbestehen die Studie ausgeht, macht für zehntausende Kinder einen Unterschied aus. Laut der Untersuchung werden im türkis-grünen Endausbau 73 Prozent aller Kinder in voller Höhe und weitere acht Prozent teilweise vom Familienbonus profitieren, zehn Prozent kommt der Kindermehrbetrag zugute. Neun Prozent – 166.000 Kindern – bleiben hingegen beide Leistungen verwehrt; derzeit sind es noch 180.000 Kinder. Fällt die 330-Tage-Regelung, würde die Zahl der Ausgeschlossen auf 121.000 sinken. (Gerald John, 27.2.2020)