Die großen Lehrlingsausbildner haben ihre Recruiting-Kampagnen bereits gestartet und versuchen mit Zusatzleistungen geeignete Kandidaten zu locken. Denn, so wird von Unternehmerseite oft beklagt, es fehle bei vielen Lehrstellensuchenden an den wesentlichen Grundkenntnissen in Rechnen, Schreiben oder Lesen.

Für die Lehrstellensuchenden wiederum heißt es, mit 15 eine wichtige Weichenstellung für das weitere (Arbeits-)Leben vorzunehmen. In Österreich stehen über 200 verschiedene Lehrberufe zur Auswahl. Aber nur bei den wenigsten haben Jugendliche eine genaue Vorstellung davon, was in diesem Beruf dann tatsächlich gemacht wird. Daher werde gern auf Bekanntes zurückgegriffen. Bei den Burschen sind das Metall-, Elektro- oder Kraftfahrzeugtechnik, bei den Mädchen Einzelhandel, Bürokauffrau oder Friseurin.

Zur Wahl stehen über 200 Lehrberufe, den richtigen zu finden, ist oft nicht einfach.
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Für Martina Aicher, Bildungsberaterin der Arbeiterkammer (AK) Wien, liegt ein Grund auch darin, dass Berufsfelder heute nicht mehr so sichtbar sind wie früher. "Die Eltern arbeiten im Büro mit einem Computer, was sie dort genau machen, wissen die Kinder oft nicht näher." Auch wie über einen Beruf geredet wird, sei für die Attraktivität eines Lehrberufs und somit auch für die Berufswahl entscheidend.

Von Eltern geprägt

Die Eltern spielen in diesem Prozess jedenfalls eine sehr wichtige Rolle. "Die Wünsche der Eltern werden auf die Kinder projiziert", sagt Aicher. Sie wollen ja das Beste für ihr Kind, und Kinder bekommen genau mit, was sich die Eltern für sie wünschen. In vielen Fällen sei das eine weiterführende Schule. Dass heute mehr Schüler in weiterführende Schulen drängen als früher, können auch zwei Lehrerinnen der Fachmittelschule (FMS) Im Zentrum (Wien), die namentlich nicht genannt werden möchten, bestätigen. Nur: Viele hätten keine genauen Vorstellungen davon, was in weiterführenden Schulen erwartet werde. "Die Kluft zwischen dem, was jemand kann, und dem, was in weiterführenden Schulen verlangt wird, ist oft sehr groß", sagen die Lehrerinnen. Außerdem würden Eltern die Leistungen ihrer Kinder häufig nicht richtig einschätzen können.

Dem Fach Berufskunde kommt eine große Bedeutung zu, nur oft sei es schwierig, Schüler von anderen Bildungsmöglichkeiten zu überzeugen. Für Aicher gibt es für Jugendliche auch zu wenig Anknüpfungspunkte, um sich in der Berufswelt Orientierung zu verschaffen. "Es gibt zwar berufspraktische Tage, an Gymnasien sind sie aber nicht verpflichtend."

Ohne Plan

Auch Elisabeth O. kann davon ein Lied singen, mit Schulschluss hat ihre Tochter die Schulpflicht erfüllt, ein Plan, wie es danach weitergehen soll, fehle noch. "Natürlich hätte ich gern gehabt, dass meine Tochter das Gymnasium abschließt. In der dritten Klasse hat sich meine Tochter aber anders entschieden und gesagt, dass sie lieber eine praktische Berufsausbildung machen würde." Das war vor zwei Jahren. Welcher Lehrberuf das sein soll, weiß die Tochter noch immer nicht. "Für mich als Mutter eine Katastrophe", sagt O., die ihre Tochter gern unterstützen würde. "Ich weiß, dass ich ihr damit auf die Nerven gehe."

Bei einer Berufsberatungsmesse der Arbeiterkammer nahm die Tochter das Jobcoaching mit Interessenscheck in Anspruch. Tierärztliche Ordinationsassistenz steht seither ganz oben auf ihrer Berufswunschliste. Diesen Lehrberuf gibt es erst seit 2018, selbst das Organisieren eines Schnuppertags gestaltet sich schwierig.

Dabei liegt für die Bildungsberaterin gerade hier einer der wichtigsten Faktoren, die bei der Entscheidung helfen können. Ihr wichtigster Rat: In Berufe hineinschnuppern. Ein falsches Bild vom Beruf könne am besten durch die Praxis zurechtgerückt werden. (29.2.2020)