Es war wohl kein Tag, auf den sie sich gefreut haben, aber einer, auf den sie vorbereitet sein wollten. Der erste bestätigte Coronavirus-Fall in Österreich und die damit einhergehende Unruhe in der österreichischen Bevölkerung bestätigten viele innerhalb der sogenannten Prepper-Szene, alles richtig gemacht zu haben. Einige sollen gar mit einer Portion Schadenfreude auf die vereinzelten Hamsterkäufe von Nahrung und Desinfektionsmitteln geblickt haben, erzählt Survival-Coach Martin Molay – selbst auch ein Prepper – im STANDARD-Gespräch.

Der Begriff Prepper stammt vom englischen Wort "prepare", sich vorbereiten. Etwas mehr als 2.000 registrierte User finden sich auf der größten Prepper-Website Österreichs, in verschiedenen Facebook-Gruppen sind es einige hundert, alle mit dutzenden neuen Mitgliedern seit ein paar Tagen. Sie tauschen sich dort über ihre Bunkerausstattung oder Notfallpläne aus und weisen gerne auf drohende Gefahren aus dem In- und Ausland hin. Dennoch wirken die meisten recht ruhig – sie sind ja schließlich vorbereitet.

Podcast: Fabian Sommavilla und Philip Pramer erklären, wie sich Prepper auf den Ernstfall vorbereiten und wie sinnvoll das ist.

Angst vor dem Blackout

Doch worauf bereiten sich die österreichischen Prepper vor? Auf den Weltuntergang? Nicht zwingend. Zu Hochzeiten des Kalten Krieges war schließlich die halbe Welt irgendwie Prepper. In vielen Bundesländern waren Schutzbunker im 20. Jahrhundert viele Jahre lang Pflicht bei Neubauten.

Keiner weiß so genau, ob es sich bei diesem Innsbrucker Prepper um einen Spätberufenen oder einen Faschingsstunt handelte. Mediale Aufmerksamkeit war ihm jedenfalls gewiss.

In erster Linie sind es derzeit aber weniger Krankheiten, Viren oder Kriege, sondern eher die Angst vor einem Blackout – einem längeren Stromausfall, der das öffentliche Leben teils zum Erliegen bringen könnte –, die Österreichs Prepper umtreibt. Im Falle des Falles wolle er einfach gut für einige Tage überleben können – und das ohne jegliche Hilfe von außen oder von anderen Mitmenschen, sagt Molay. Der überzeugte Veganer lebt seit knapp vier Jahren energieautark und bietet auch verschiedenste Survival-Trainings in Kursen im Wald oder in seinem Prepper-Hostel an. In gewisser Weise verdient er also auch sein Geld mit der Angst der Menschen. Er schürt diese aber kaum, will eher ängstlichen Menschen helfen, furchtloser zu werden durch bessere Vorbereitung – wie bei einem Mathe-Test quasi.

Muss für Sicherheitsbunker

Ausreichend Wasser, Medikamente, Treibstoff, proteinhaltige Nahrung, Spezialnahrung für Babys und Hygieneartikel sind ein Muss für Sicherheitsbunker. Der Überlebenskünstler betont, dass auch der richtige Umgang mit Chemietoiletten oder Trockensystemen sowie eine Möglichkeit, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen – etwa per Funk –, erprobt sein sollte. Im Grunde nichts anderes, als der österreichische Zivil- und Katastrophenschutz auch vorschlägt, wenn auch nicht in ganz so detailliertem und durchdachtem Maße wie bei Molay.

Auch tauschbare Waren wie Zigaretten und das nötige Bargeld habe er in kleinen Scheinen stets auf Vorrat. Für den Fall einer Geldentwertung seien auch kleine Stücke Edelmetalle, Goldmünzen und Vergleichbares eine wertvolle Ressource.

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In Deutschland unterwandert

Auch wenn Molay eher die österreichische Version des britischen Outdoor-Survival-Künstlers Bear Grylls darstellt, kommen in Gesprächen mit Preppern unweigerlich Vergleiche mit der Pension Enzian der FPÖ in St. Jakob in Defereggen in den Sinn. Die Pension sollte angeblich als "Rückzugsort" der Parteispitze für einen Tag X, also eine landesweite Katastrophe wie einen Bürgerkrieg oder Ähnliches, fungieren. Auch Gold in rauen Mengen sollte dort eingelagert worden sein.

Molay selbst sieht in der österreichischen Szene aber keine Strömungen zur Vorbereitung auf bürgerkriegsähnliche Zustände, wie dies etwa in den US-amerikanischen oder deutschen Prepper-Gruppen immer wieder zutage trete. Dort gilt die Szene regelmäßig als von Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremen, Rassisten und Nazis unterwandert. Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet sie deshalb. Auf STANDARD-Anfrage hieß es aus dem Innenministerium, dass die "österreichische Prepper-Szene bzw. Proponenten der Szene den Staatsschutzbehörden bekannt" seien. Mehr könne man aus polizeitaktischen Gründen nicht sagen.

Dadurch, dass in den vergangenen Jahren das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen gelitten habe, hätten sich immer mehr Österreicherinnen und Österreicher Waffen zugelegt, so auch die subjektive Einschätzung Molays. Tatsächlich geht die Zahl der verkauften Schusswaffen nach den Rekordjahren 2015 und 2016 aber allmählich wieder zurück. Natürlich fänden sich aber auch unter den Preppern – zu denen auch einige aktive wie Ex-Militärs gehören würden – Schusswaffenbesitzer, sagt Molay.

Tatsächlich geben die allermeisten österreichischen Prepper-Gruppen aber an, dezidiert unpolitisch sein zu wollen. Wer politisiert, fliegt raus, heißt es auch in den verschiedenen Foren immer wieder. "Wir sind halt doch ein halbwegs gemütliches Volk", resümiert Molay die österreichische Gefühlslage. Ob das als Pauschalurteil für die Szene hält, kann an dieser Stelle nicht vollends geklärt werden. Auch sind Pauschalurteile generell schwierig, weil es nun einmal nicht die eine Gruppe an Preppern gibt. Unterschiedliche Gruppen bereiten sich auf unterschiedliche Szenarien vor.

Bedeckt halten

Neben den Foren und Facebook-Gruppen gibt es auch immer wieder Treffen der österreichischen Prepper-Community, wie Markus P. dem STANDARD erzählt. Diese würden aber "sehr bedeckt gehalten". Man will unter sich bleiben. Von Außenstehenden würde man wohl "schief angeschaut" werden – ein Grund, warum der öffentlich Bedienstete seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will. "Ich will außerdem nicht, dass jeder weiß, was ich zu Hause habe oder was ich kann", sagt er.

Zu Hause hat Markus jedenfalls Vorräte für einen ganzen Monat – vor allem Medikamente, Lebensmittel, aber auch Tauschwaren. Bei letzteren könne man aus den Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg lernen, wo nicht Gold und Schmuck, sondern vor allem Alkohol, Zigaretten und Schreibmaterial viel wert waren. "Da reden wir aber schon von einem sehr, sehr ernsten Szenario", dem etwa der Zusammenbruch der staatlichen Organisationen vorausgeht. Eine sehr unwahrscheinliche Situation, weit entfernt von den Corona-Hamsterkäufen.

Survival-Coach Martin Molay empfiehlt Bohnen und Linsen statt Pasta.
Foto: imago images / Christian Ohde

Wobei Preppen für Markus nicht beim reinen Horten aufhört: Auch Fischen und Kräuterkunde gehören für ihn zur Vorsorge dazu. Der Ex-Militär kann dabei teilweise auf seine Ausbildung beim Heer zurückgreifen, hauptsächlich sei das aber "learning by doing". Auslöser für sein Preppen war sein Engagement beim Katastrophenschutz. Dort habe er gesehen, wie es "der Zivilbevölkerung im Ernstfall ergeht", und beschlossen, selbst vorzusorgen, um nicht auf andere angewiesen zu sein. "Ich will mich und meine Familie beschützen können."

Zum harten Kern der österreichischen Prepper-Szene gesellen sich in Krisenzeiten eben auch immer wieder Ad-hoc-Prepper. Molay spricht dabei von Wellenbewegungen und vergleicht es mit Anmeldungen zu Erste-Hilfe-Kursen, wenn im Familienumfeld was geschieht. Die Herzdruckmassage oder – wie im aktuellen Fall – das richtige Händewaschen sollten eigentlich aber auch in ruhigen Zeiten von jedem beherrscht werden. (Philip Pramer, Fabian Sommavilla, 28.2.2020)

Update: 29.2.2020. 14:00 Uhr. Die Stellungnahme des Innenministeriums wurde ergänzt.