
Nach Angaben türkischer Medien waren sie am Freitag bereits auf dem Weg: Hunderte syrische, afghanische und irakische Flüchtlinge machten sich am Freitagmorgen auf den Weg an die griechische Grenze. Sie reagierten damit nach dieser Darstellung auf Gerüchte, die in der Nacht, nach der dramatischen Eskalation der Kämpfe im syrischen Idlib, aufgekommen waren, als der türkische Regierungssprecher Ömer Çelik angedeutet hatte, die Grenzkontrollen zu Griechenland und Bulgarien könnten eingestellt werden. Die EU dementierte das zwar wenig später: Es seien nicht mehr als die sonstigen hundert bis 300 Menschen an der Grenze angekommen, zudem verschärften Athen und Sofia die Kontrollen. Die Sorge aber, es könnten sich größere Mengen in Bewegung setzen, hat die Hauptstädte erreicht.
Ein Sprecher des türkischen Außenministeriums dementierte am Freitagmittag wieder und betonte, die Türkei stehe zu dem Flüchtlingspakt mit der EU. Trotzdem fanden sich sowohl am Grenzfluss Evros wie an der türkischen Küste gegenüber Lesbos hunderte Flüchtlinge ein, um die Probe aufs Exempel zu machen. Auch an der Grenze zu Bulgarien wurden bereits Flüchtlinge festgenommen.
Mehrfach hatte Präsident Recep Tayyip Erdoğan schon angesprochen, dass die Türkei neben den bereits knapp vier Millionen Flüchtlingen, die im Land sind, nicht noch weitere Menschen aufnehmen könne – dabei geht es auch darum, Druck auf die EU zu machen und so mehr Unterstützung für den türkischen Einsatz in Syrien zu gewinnen. Denn die dramatische Situation dort, wo sich Hunderttausende in Richtung Türkei aufgemacht haben, ist es auch, die ihn selbst unter Druck setzt.
Athen unter Druck
Athen jedenfalls hat die Kontrollen an den Landgrenzen und Seegrenzen zur Türkei verschärft und Armee in die Region an der Grenze verlegt. Die Regierung unter dem griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis ist in der Causa in Austausch mit der EU. Der Chef der Streitkräfte, General Konstantinos Floros, reiste in die Region.
Die Ankunft zusätzlicher Migranten auf den ostägäischen Inseln macht der griechischen Regierung sehr zu schaffen, weil die Lager ohnehin bereits völlig überfüllt sind. Premier Mitsotakis diskutierte die Migrationskrise in Griechenland am Freitag mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel.
"Kommt nicht nach Griechenland!", lautete die Botschaft des Premiers. "Kommen Sie nicht, weil die Route, auf der die Menschenhändler Sie führen und für die Sie sie gut bezahlen, nicht zum griechischen Festland und nach Europa führt. Sie hält auf den Inseln an, und von dort aus beginnt der Weg Ihrer Rückkehr."
Erfolglose Verhandlungen
Seit Wochen verhandeln die Türkei und Russland erfolglos über ein Ende der Offensive syrischer Truppen gegen die letzte syrische Rebellenbastion in Idlib. Auch eine dritte Runde am Donnerstag brachte keine Einigung.
Die Türkei hat sich mit einigen Gruppen von Aufständischen verbündet und tausende eigene Soldaten in das Nachbarland verlegt. Syriens Präsident Baschar al-Assad wird von Russland unterstützt. Der türkische Präsident droht mit einer Großoffensive, sollten sich die syrischen Truppen nicht zurückziehen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte am Freitag vor einer dramatischen Verschärfung des Konflikts in Idlib. Die Eskalation müsse umgehend enden, schrieb er auf Twitter. "Es besteht das Risiko, in eine große offene internationale militärische Konfrontation zu rutschen." Borrell rief alle Seiten zur Deeskalation auf. Zivilisten würden in Gefahr gebracht, und es werde unerträgliches Leid verursacht. "Die EU wird alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz ihrer Sicherheitsinteressen in Erwägung ziehen."
Russland schickt Kriegsschiffe durch den Bosporus
Moskau hat am Freitag zwei mit Marschflugkörpern bestückte Kriegsschiffe durch den Bosporus in Richtung Mittelmeer geschickt. Die russischen Fregatten Admiral Makarow und Admiral Grigorowitsch hatten zuvor den Hafen von Sewastopol auf der Krim verlassen, erklärte ein Sprecher der russischen Armee.
Die beiden Kriegsschiffe seien mit hochpräzisen Marschflugkörpern des Typs Kalibr-NK ausgestattet, sagte der Sprecher der russischen Flotte, Alexej Rulew, laut russischen Nachrichtenagenturen. Es handle sich um einen "planmäßigen Transit". Die Schiffe sollen demnach den Bosporus und anschließend die Dardanellen durchqueren. Zum Ziel der Fregatten äußerte sich der Sprecher nicht. In der Regel durchqueren russische Marineschiffe die türkische Meerenge aber zur Versorgung der russischen Streitkräfte in Syrien. (red, Jürgen Gottschlich aus Istanbul, Adelheid Wölfl, 28.2.2020)