Köche werden vor allem im Westen des Landes gesucht, in Wien sind viele von ihnen arbeitslos.

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Die Bekämpfung des Fachkräftemangels nimmt konkrete Formen an. Kurz vor Jahreswechsel hat die Übergangsregierung die Mangelberufsliste deutlich ausgeweitet. Die bundesweite Liste für Berufe, zu deren Ausübung Personen aus Drittstaaten nach Österreich kommen dürfen, wurde um elf auf 56 erweitert. Unter anderen kamen Maurer und Pflegehelfer hinzu. Zudem gibt es eine Regionalliste, mit der dem Fachkräftebedarf in den Bundesländern Rechnung getragen wird.

In Oberösterreich sind somit beispielsweise auch Fleischer, Kellner, Buchhalter und Bäcker Mangelberufe, auch Verkäufer und Verkäuferinnen können nunmehr in den westlichen Bundesländern aus Drittstaaten geholt werden. Mancherorts, in der Steiermark, in Kärnten, Tirol und Vorarlberg sind sogar Friseure und Friseurinnen knapp, die nun beispielsweise aus Serbien oder der Ukraine geholt werden können.

Gehaltsschwelle sinkt

Nun kommt der nächste Schritt, den die Regierung diese Woche setzte. Sie will auch mehr Personen aus Nicht-EU-Ländern über die Senkung der Einkommensgrenzen nach Österreich locken. Derzeit muss beispielsweise eine Schlüsselkraft im Alter von 30 Jahren 3.200 Euro brutto im Monat verdienen, um eine Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten zu können, künftig soll diese Schwelle bei 2.685 Euro liegen. Bei Absolventen einer Universität oder Fachhochschule will die Regierung die Untergrenze für den Verdienst gänzlich streichen, damit in Österreich ausgebildete Personen verstärkt im Land bleiben können.

Margarete Schramböck will die Suche nach besser Qualifizierten aus dem Ausland erleichtern.
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Die Maßnahmen werden ziemlich kontroversiell diskutiert, gab es doch im Jänner trotz rückläufiger Tendenz immer noch 420.000 Arbeitslose. Allerdings verfügen diese Personen meist nicht über die nachgefragte Qualifikation oder sind nicht bereit, den Wohnort zu wechseln. Das führt dazu, dass derzeit gut 70.000 offene Stellen nicht besetzt werden können. Insgesamt spricht die Wirtschaft sogar von 160.000 fehlenden Fachkräften.

Lohndumping?

Aus Sicht der Arbeitnehmer sollten vorrangig Österreicher für die Besetzung der offenen Jobs herangezogen und vermehrt Inländer qualifiziert werden. Die jetzige Vorgangsweise der Regierung wird als Lohndumping verurteilt. "An Fachkräften mangelt es vor allem dort, wo die Arbeitsbedingungen schlecht sind", sagt Gernot Mitter von der Arbeiterkammer. Konkret meint der Experte den Tourismus, in dem die Unternehmen besonders laut klagen.

Mitter zufolge diene die Absenkung der Einkommensgrenzen vor allem dazu, in diesem Sektor an billige Arbeitskräfte zu gelangen. Mit Fachkräftemangel habe das nichts zu tun. Denn um die genannten 2.685 Euro erhalte man keine qualifizierten IT-Leute oder andere Spezialisten. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) hält dagegen: Es müssten jedenfalls die Kollektivvertragsbestimmungen eingehalten werden, weshalb von Lohndumping keine Rede sein könne, sagt sie.

Unterschiedliche Schienen

Das sehen auch die Arbeitgebervertreter so. Dass die Absenkung der Gehaltsuntergrenze für Personen aus Drittstaaten nicht auf mehr Ausländer für die Gastronomie und Hotellerie abziele, begründet Wirtschaftskammer-Expertin Margit Kreuzhuber mit einem anderen Hinweis: Köche und in den westlichen Bundesländern auch Kellner können einfacher über die Mangelberufsliste aus Drittstaaten engagiert werden.

Auch Bäcker werden zusehends rar.
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Denn nach dieser Bewilligungsform bedarf es keines Nachweises, dass die offene Stelle nicht mit Österreichern zu besetzen wären. Die Prüfung erfolgt hier im Vorfeld nach Branchen, das Hotel oder der Wirt muss sich mit der Frage also nicht mehr auseinandersetzen.

Mitter verweist hingegen auf die Gesamtentwicklung. In Österreich werden schon drei von vier neuen Jobs mit Migranten besetzt. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut hat diese Entwicklung dazu geführt, dass der Anteil ausländischer Beschäftigter von knapp 18 Prozent im Jahr 2015 auf mittlerweile 22 Prozent gestiegen ist.

Entsendungen steigen stark

Dazu kommen die massiv zunehmenden Entsendungen, bei denen beispielsweise Baufirmen aus Slowenien oder Montagebetriebe aus Ungarn für die Abarbeitung von Aufträgen temporär Mitarbeiter aus ihren Ländern nach Österreich schicken. Die Entsendungen sind im Vorjahr laut Finanzministerium auf fast 240.000 Fälle gestiegen. Alles in allem: Die Wirtschaftsforscher rechnen angesichts der starken Zuwanderung damit, dass in ungefähr drei Jahren erstmals mehr als eine Million Ausländer in Österreich beschäftigt sein werden.

Einfach mehr Inländer für die offenen Jobs zu qualifizieren, wie die Arbeitnehmer fordern, gestaltet sich freilich allein schon wegen der Bevölkerungsentwicklung ziemlich schwierig. Ein Beispiel: Seit 2015 übersteigt die Zahl der 60-Jährigen jene der 20-Jährigen. Das jeweilige Alter ist nicht zufällig gewählt, handelt es sich dabei doch um das durchschnittliche Einstiegsalter ins Berufsleben respektive um das Pensionsalter.

Weniger Arbeitskräfte

Es gibt also zwangsläufig mehr Personen, die ihre Erwerbstätigkeit beenden, als Berufseinsteiger. In vier Jahren wird die Zahl der 60-Jährigen bei 138.000 liegen, die der 20-Jährigen bei gut 95.000, hat die Statistik Austria dargelegt. Somit würden allein in diesem Jahr 40.000 Personen dem Arbeitsmarkt entzogen, wenn es keine Zuwanderung gäbe.

Das heißt freilich nicht, dass dies der einzige Hebel sein muss. Gerade im Tourismus, wo der Fachkräftemangel am lautesten beklagt wird, sieht die Arbeiterkammer besonders schlechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Die Statistik scheint dazu zu belegen. Beherbergung/Gastronomie ist laut Lohnsteuerstatistik 2019 die Branche mit den niedrigsten Löhnen. Das durchschnittliche Jahresbrutto liegt hier bei 28.140 Euro. Die Zahl bezieht sich ausschließlich auf Vollzeitjobs. (Andreas Schnauder, 28.2.2020)